Türkischer Pianist Say wegen Beleidigung des Islam verurteilt

Der Musiker Fazil Say ist in seiner türkischen Heimat wegen Beleidigung religiöser Werte verurteilt worden
Carsten Hoffmann |
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Der Musiker Fazil Say ist in seiner türkischen Heimat wegen Beleidigung religiöser Werte verurteilt worden.

Der türkische Pianist und Komponist Fazil Say ist von einem Gericht in Istanbul wegen Beleidigung des Islam zu einer zehnmonatigen Bewährungsstrafe verurteilt worden. Say (43) habe sich mit im Internet verbreiteten Kommentaren der Verletzung religiöser Werte schuldig gemacht, zitierte türkische Medien aus dem Urteil.

Von der EU und aus Berlin kam Kritik an dem Urteil. Der international renommierte Künstler, der nicht selbst vor Gericht erschien, hatte über den Kurznachrichtendienst Twitter mehrere kritische sowie spöttisch formulierte Äußerungen verbreitet, die islamische Frömmelei und Scheinheiligkeit auf die Schippe nahmen. Die Vorwürfe hatte er mehrfach zurückgewiesen.

Say ist derzeit für eine Reihe von Konzerten in Deutschland unterwegs. Auf seiner Facebook-Seite nannte er das Urteil am Montag sehr bedauerlich. Für die Meinungs- und Glaubensfreiheit in der Türkei sei die Entscheidung des Gerichtes besorgniserregend.

Eine Sprecherin der EU-Außenbeauftragten Katherine Ashton teilte mit, Brüssel reagiere besorgt auf das Urteil. Es sei wichtig, dass die Türkei Meinungsfreiheit beachte.

„Ich weiß nicht, ob ihr es gemerkt habt? Überall wo es Schwätzer, Gemeine, Sensationsgierige, Diebe, Scharlatane gibt, sie alle sind übertrieben gläubig (wörtlich: „Allahisten“). Ist das ein Paradoxon?“ lautete eine von mehreren in der Anklage genannten Kurzmitteilungen.

Drei türkische Bürger hatten Say daraufhin angezeigt und ihm vorgeworfen, die islamische Religion und die Anhänger dieser Religion schwer beleidigt und religiöse Werte öffentlich herabgewürdigt zu haben. Die Strafe wurde nach Angaben seiner Verteidigerin auf fünf Jahre zur Bewährung ausgesetzt.

Say hat sich mehrfach kritisch über die islamisch-konservative Regierung von Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan geäußert und auch erklärt, er denke darüber nach, das Land zu verlassen. In Deutschland erklärte das Grünen-Führungsduo Claudia Roth und Cem Özdemir: „Auch wenn die Äußerungen von Fazil Say manchen in der Türkei nicht passen mögen, sollten sie in einer Demokratie durch das Recht auf Meinungsfreiheit geschützt sein. Im Umgang mit der angeblichen Verletzung religiöser Gefühle wünschen wir uns eine größere Gelassenheit.“

Die Linke-Bundestagsabgeordnete Sevim Dagdelen bezeichnete das Urteil als Skandal. Fazil Say gehört zu den Stars der internationalen Musikszene und zu den bekanntesten Künstlern der Türkei. Als Solist und mit führenden Orchestern der Welt gelang ihm eine steile Karriere. Dabei verfügt er über ein breites Repertoire, das auch Jazz einschließt und musikalische Wurzeln in der traditionellen Musik Anatoliens erkennen lässt. Nach einem Klavier- und Kompositionsstudium am Staatlichen Konservatorium in Ankara hatte Say von 1992 bis 1995 seine Ausbildung am Berliner Konservatorium fortgesetzt. 1994 gewann er beim europäischen Nachwuchswettbewerb für Musiker den ersten Preis und schaffte damit den Durchbruch.

Fazil Say gibt am Samstag um 20 Uhr einen Klavierabend im Prinzregententheater

 

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