Ton Koopman dirigiert Bachs "Weihnachtsoratorium"
Ton Koopman, die Münchner Philharmoniker und der Philharmonische Chor mit Bachs „Weihnachtsoratorium“ im Gasteig
Wer einen Ton Koopman einlädt, weiß natürlich, was er bekommt: einen Grundkurs in historisierender Aufführungspraxis. So klöppelt die Pauke zu Beginn des „Weihnachtsoratoriums“ von Johann Sebastian Bach mit der üblichen Härte und die Streicher der Münchner Philharmoniker spielen ohne Vibrato, flach und kurzatmig. Doch die Bläser benutzen moderne Instrumente, was den Hörer in die mittlerweile ungewohnte Lage versetzt, in barocken Trompeten- und Hornstimmen sauber produzierte Töne wahrzunehmen. Und der Philharmonische Chor ist mit gut 50 Köpfen in einer Stärke besetzt, die Historisierer eigentlich kaum mehr einzusetzen wagen.
Eine gewisse Inkonsequenz kennzeichnet also diese Aufführung der ersten vier Kantaten aus Bachs wohl populärstem Werk. Das ist durchaus kein Problem, in der Musik muss es schließlich nicht puristisch zugehen. Die Größe des Chors ist unbestreitbar ein Vorteil, nicht zuletzt auch, weil Andreas Herrmann in seiner Einstudierung eine Ausgeglichenheit erreicht hat, die sonst nur professionellen Ensembles zukommt. Die oft unterrepräsentierten Register, Alt und Bass, sind mit klaren Linienführungen präsent, wie sie dünner besetzten Chören deutlich schwerer möglich sind.
Hibbeliges Antreiben
Auch, dass Koopman, der besser Orgel spielt als er dirigiert, das Orchester selbst in kleinen Besetzungen noch durcheinanderzubringen vermag, ist nicht so schlimm, solange er nicht störrisch auf raschen Tempi beharrt, wenn sie nicht funktionieren. Tatsächlich gibt er, der zum hibbeligen Antreiben neigt, mehr als einmal nach.
Enttäuschend ist eher, dass der ausgewiesene Praktiker Koopman nicht reaktionsschneller auf die Sänger eingeht. Nicht jeder bewältigt zackige Tempi so brillant und ungerührt wie der sensationell koloratursichere Tenor Tilman Lichdi. Christina Landshamer etwa hätte mehr Zeit zum Erblühenlassen ihres Soprans gebraucht.
Hingegen ist es Michael Volle als Wagner-Sänger gewöhnt, sich gegen größere Mächte durchzusetzen, es tut der Basspartie auch gut, dass sie einmal von einer starken, reifen Persönlichkeit gesungen wird. Der Stern des Abends aber gebührt der Altistin Wiebke Lehmkuhl, die mit absolut reiner Tonproduktion, warmer, fülliger, dennoch jugendlicher Stimme und einem unendlich weiten Atem betört. Von einer solchen Phrasierungskunst könnte sich ja auch Ton Koopman einmal anregen lassen.
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