Thomas Bohnet: Wie es einem Münchner DJ in der Corona-Krise ergeht

Thomas Bohnet ist den Münchnern als Erfinder der "Tour de France" bekannt, die den frankophilen Musikliebhabern seit zwei Jahrzehnten die neuen Bands und Einflüsse aus dem Nachbarland vorstellt – am DJ-Pult im Muffatwerk.
AZ: Herr Bohnet, eigentlich sollte 2020 ein besonderes Jahr für Sie werden?
THOMAS BOHNET: Ich wollte zwanzig Jahre Tour de France feiern, am 24. April 2020 mit zwei Bands. Da wären wohl 800 bis 1.000 Menschen in die Muffathalle gekommen, wir hatten im Januar auch schon über 400 Tickets verkauft. Das Konzert fiel dann wegen Corona aus. Wir haben die Veranstaltung dann auf März 21 verschoben, aber das wird jetzt wohl auch nichts. Wir hoffen jetzt auf den 24. September 2021 – dann wird es halt der 21. Geburtstag.
Was macht das mit einem Veranstalter, wenn man ein Jahr lang nichts veranstalten kann?
Das ist furchtbar. Ich bin ja Veranstalter und DJ, mich hat es doppelt getroffen. Meine letzte Disco hatte ich am 13. März im Kosmos im Zürich. Im Sommer habe ich ein paar wenige Male vor Kneipen aufgelegt, da durfte aber dann niemand tanzen. Dass ich wieder richtig vor Publikum auflegen kann, wird wohl auch nicht vor dem Herbst stattfinden können. Ich habe 2018 meine alte Firma Target verlassen und mich selbständig gemacht. 2019 konnte ich ein paar Konzerte organisieren, die liefen zwar ganz gut, aber ich habe immer Geld verloren. Eigentlich sollte 2020 das Jahr werden, in dem ich mit meiner neuen Firma Geld verdienen wollte, daraus wurde dann nichts.
Sie sagen das so unaufgeregt.
Ich habe glücklicherweise noch einen kleinen Nebenjob beim Kulturzentrum in Taufkirchen.
"In Berlin wurde das Geld mit der Gießkanne ausgeschüttet"
Haben sie Soloselbständigenhilfe erhalten?
Anfangs habe ich das nicht beantragt, weil ich dachte, dass es vielen wesentlich schlechter geht als mir. Im Sommer habe ich dann als Mitglied der Künstlersozialkasse 3.000 Euro erhalten, das war aber auch alles in den letzten neun Monaten.
In anderen Bundesländern gab es viel bessere Hilfe als in Bayern.
Das ist halt der Föderalismus, der hat Vor- und Nachteile. In Berlin wurde das Geld mit der Gießkanne ausgeschüttet, ich kenne Menschen, die dort viel Geld bekommen haben, allerdings mussten manche auch wieder Geld zurückzahlen. In Berlin floss das Geld immerhin schnell, was ja auch der Sinn einer Soforthilfe sein sollte. In Bayern ist es weitestgehend bei vollmundigen Ankündigungen geblieben. Auch jetzt ist die Situation noch ein ziemlicher Wirrwarr. Die Politik sollte froh sein, dass die Musikszene nicht so querulant ist wie die sogenannten Querdenker, sonst hätte es vielmehr Menschen gegeben, die mit den Querpfosten demonstriert hätten.
Hatten sie anfangs die Hoffnung, dass das Virus den Kulturbetrieb vielleicht nur wenige Monate stören könnte.
Anfangs ja, aber ich habe auch einen Freund, der an der Uni Zürich mit Viren zu tun hat und mir schnell klargemacht hat, dass dies eine längere Geschichte werden würde. Aber, um nicht falsch verstanden zu werden, ich bin nicht gegen den Lockdown. Ich bin sogar, wenn man mal von den Hilfsmaßnahmen für Soloselbständige absieht, im großen und ganzen einverstanden mit den politischen Entscheidungen. Aber man kann den Lockdown auch nicht ewig verlängern, die Leute werden nervös.
Klassik-Veranstalter haben die Sorge, dass sich ihr Klientel vielleicht gar nicht mehr in der früheren Anzahl traut, auf Konzerte zu gehen, wenn es wieder welche geben sollte.
Ich kann das schlecht einschätzen, aber wir hatten im Kulturzentrum in Taufkirchen im Herbst einige Veranstaltungen, die wirklich deutlich schlechter besucht waren als vor der Corona-Zeit. Ich weiß aber nicht, wie das jüngere Publikum reagieren wird.
DJ-Livestream am Samstagabend aus dem Ampere
Sie überbrücken Ihre erzwungene Untätigkeit auch als Helfer bei der Münchner Tafel, warum?
Das wollte ich schon seit einiger Zeit machen, weil das eine gute Sache ist. Und wenn nicht jetzt, wann dann? Ich habe jetzt zwei Schichten mitgeholfen und muss sagen, dass dies eine tolle Erfahrung ist. Man lernt natürlich auch, seine eigenen Probleme zu relativieren. Das ist halt die nackte Realität auch in einer reichen Stadt wie München: Es gibt viele Menschen, die auf diese Lebensmittelhilfe absolut angewiesen sind. Wir halten es für eine Krise, wenn wir mal nicht in den Urlaub fahren, andere Menschen kämpfen darum, ihrer Familie essen nach Hause bringen zu können. Da merkt man schon, in welcher Blase man sonst lebt.
Wie kamen Sie eigentlich vor zwei Jahrzehnten darauf, den Münchnern die französische Musik schmackhaft zu machen? Waren Sie schon immer frankophil?
Ehrlich gesagt, konnte ich vor zwanzig Jahren nicht einmal die französischen Texte verstehen, inzwischen aber schon. Ich hatte schon vor 24 Jahren in Konstanz, wo ich damals lebte, angefangen französische Musik aufzulegen. Als ich 1998 nach München zog, dachte ich erst, hier wartet sicherlich niemand auf einen vierzigjährigen DJ! Aber dann habe ich in meinen Stammlokal Club 2 in Haidhausen angefragt, ob ich mal auflegen dürfte. Und dann habe ich mich auf französische Musik spezialisiert, es wurde schnell ein Selbstläufer und die "Tour de France" wurde gestartet.
Am Samstag legen Sie wieder auf im Ampere, gemeinsam mit Christian Berst und Rupen Gehrke und dem Visual-Künstler Massimo Fiorito, natürlich ohne Publikum.
Die Veranstaltung ist finanziert vom Deutsch-Französischen Bürgerfonds. Wir feiern auch die Erinnerung an den 22. Januar 1963, als der französische Staatspräsident Charles de Gaulle und der deutsche Bundeskanzler Konrad Adenauer in Paris den Elysée-Vertrag unterschrieben haben, den deutsch-französischen Freundschaftsvertrag. Man kann unsere deutsch-französische Party kostenlos live streamen und mitfeiern. Die Veranstaltung steht aber auch noch ein paar Tage im Netz.
Samstag, 23. Januar 21 Uhr bis 2 Uhr: Streaming-Veranstaltung auf Youtube-Kanal: www.youtube.com