Thermodynamisch rocken

Die Engländer von Muse haben mit „The 2nd Law” ein neues Album veröffentlicht
Christian Jooß |
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Big Freeze” geht lässig über jede Kitschgrenze und hat doch Beat-Feuer im Hintern. Thematisch mit der Inbrunst eines Liebesgospels gipfelt der Song von Muse endlich in der kosmisch-komischen Zeile „We’re collapsing in stellar clouds of gas”. Natürlich: Im ständigen Ringen um eigene Größe ist für viele Bands nur das All noch gut genug. Siehe Alben wie Placebos „Battle For The Sun”, überboten von Linkin Parks „A Thousand Suns” und besiegt von Snow Patrols „A Hundred Million Suns”.

Und wer an „No Line On The Horizon” denkt, das letzte Album von U 2, ist beim Mutterschiff aller sich beständig weiter selbstentgrenzenden Bands gelandet. Unvermeidlich, dass sich auch deren Spuren auf dem neuen Album von Muse finden. „The 2nd Law” heißt es. Und – Achtung, so geht Prog Rock – wurde benannt nach dem zweiten Satz der Thermodynamik. Dem widmen Muse die letzten beiden Nummern und lassen uns kurz und knackig wissen: „In an isolated system, entropy can only increase.” Das erste Stück sammelt zufällige Radio- und Fernsehfetzen auf und verblasst doch vor „Revolution No. 9”, mit dem die Beatles über 40 Jahre vor ihnen zeigten, wie sich die Übergänge von Chaos und Struktur anfühlen. Die zweite Nummer deutet mit Synthies Minimal Music an. Wie’s richtig geht, zeigt nicht nur John Cage. An großen Gedanken heben sich viele eben auch einen Bruch.

Zum ersten Mal haben Muse sich ein festes Studio in London genommen, um gemeinsam Songs zu entwickeln. Und sieht man vom Ende ab, sind zehn wunderbar größenwahnsinnige Stücke entstanden. Gleich „Supremacy” ist Heavy Rock mit sattem James-Bond-Orchester, der es – Glückwunsch – schafft, selbst eine Mariachi-Trompete zu integrieren. Und weil es nicht langweilig werden soll, liefert „Madness” im Anschluss pulsende Synthies und eine Melodie, die einen kurz an eine gebremste Version von George Michaels „Faith” erinnert. Trockene Reduktion neben Opulenz: Bei aller Liebe zur Entropie – das reicht doch als Konzept.

Als schwerst beladener Funk kommt „Panic Room”, und nicht nur „Follow Me” feiert in der Stimme von Matthew Bellamy eine Liebe zur Pop-Opern-Pose, wie man sie nach Queen irgendwann vergessen hatte. Bei „Follow Me” wird das kombiniert mit Disco-Stampf. Muse sind die Alternative zum familienfreundlichen Großraumpop von Coldplay.

CD: Muse „The 2nd Law” (Warner)

Konzert: 12. November, Olympiahalle

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