The Civil Wars: Ursprüngliches wird Nachgebaut

Amerikas Lieblinge: The Civil Wars aus Nashville haben ihr zweites Album veröffentlicht
von  Christian Jooß

Amerikas Lieblinge: The Civil Wars aus Nashville haben ihr zweites Album veröffentlicht.

Da spricht diese Frau zum Herrn. Sie hat ein Problem. Sie ist verliebt. Es ist nicht so, dass ihr Auserwählter das nicht erwidert. Nur steht der auf der falschen Seite. Dort, wo der Teufel die Figuren bewegt. Bordun-Töne, als würde eine elektrische Fiddle drohen. Er balanciert zwischen dem Knoten des Henkers und drei hungrigen Mäulern. Und sie, die sich auf die Verdammnis zurasen sieht, fragt schließlich in „Devil’s Backbone“: „How many Hail Marys does it take?“

Hier fühlt man die Form archaischer Heilserwartung, auf der die Country-Mythen eines Landes ruhen. In den amerikanischen iTune-Charts sind The Civil Wars mit ihrem gleichnamigen zweiten Album derzeit auf Platz 1. Für den Vorgänger wurden John Paul White und Joy Williams mit einem Grammy ausgezeichnet.

Schon im Januar 2012 haben sie im Ryman Auditorium, ehemals die heilige Heimat der Grand Ole Opry, gespielt. Ungeachtet des Erfolges sind die beiden aber gerade tief zerstritten, haben ihre Europatournee 2012 abgesagt. Neue Auftritte sind nicht angekündigt. Ob es nach diesem Album weitergeht, weiß wohl nicht einmal der Himmel.

Dabei haben die beiden eigentlich ihre Formel gefunden, die Charts und Tradition verbindet. Die Fremdheit einer religiös übermotivierten Gesellschaft leuchtet in „From This Valley“. Es ist ein starkes Stück erweckter Bluegrass, zugleich amerikanische Selbstvergewisserung. Beim heftig E-Gitarren-durchströmten „I Had Me A Girl“ hat Rick Rubin produzierend mitgemischt.

Alternative-Country goes Main-stream. Wer mehr Kanten sucht, ist bei altem Material, beispielsweise der Stanley Brothers, besser aufgehoben. Oder wechselt zur Nashville-Traditionalistin Emmylou Harris. Bei „Dust To Dust“ mogeln einem The Civil Wars einen Loop-Beat unter. Nicht nur der Ausflug zur französischen Sprache in „Sacred Heart“ ist, inklusive seufzender Geige, eher auf süßliche Art niedlich, als dass er elementar wird.

Aber diese zwei, im Nashville-System Sozialisierten, wissen, dass für ihre Musik für Massen die Ahnung von Klangabgründigkeit schon ausreicht, um als rebellische Novität zu überraschen. Bei all dem Himmel, Hölle, Tod und Teufel kann es wohl heute nur der Nachbau des Ursprünglichen sein, mit dem man ein erfolgreiches Popalbum über die Liebe macht.

The Civil Wars: „The Civil Wars“ (Columbia/Sony Music)

 

merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.