Kritik

Sternstunde in Straubing: Pianist Gerold Huber zeigt verborgene Qualitäten

Gerold Huber im Herzogsschloss Straubing mit Werken von Frédéric Chopin.
von  Michael Bastian Weiß
Der Pianist Gerold Huber (r.) - hier mit dem Bariton Christian Gerhaher - ist mehr als ein herausragender Liedbegleiter.
Der Pianist Gerold Huber (r.) - hier mit dem Bariton Christian Gerhaher - ist mehr als ein herausragender Liedbegleiter. © Nikolaj Lund

Glücklich ist, wer Gerold Huber schon oft im Konzert gehört hat. Das dürfte dann mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit bei einem Liederabend gewesen sein, denn der Pianist gilt international als eine der interessantesten Begleiterpersönlichkeiten überhaupt. So ist er etwa seit weit über 30 Jahren der feste Partner seines Straubinger Landsmannes Christian Gerhaher.

Pianist Gerold Huber: Genuiner Chopin-Interpret

Gleich, mit welcher Sängerin oder welchem Sänger man spricht: Alle wollen mit Gerold Huber zusammenarbeiten. Doch selbst, wem der ganz charakteristische, kernige Klavierton Hubers vertraut ist, stellt bei diesem Konzert im ausverkauften Rittersaal des Herzogsschlosses Straubing fest, dass unter dieser Spitze des Liedpianisten der Eisberg eines genuinen Chopin-Interpreten verborgen liegt. Erahnen hätte man es eigentlich können, denn sein rhythmisch gewürztes Spiel prädestiniert ihn geradezu für Mazurken und Polonaisen.

In den beiden Mazurken As-Dur und a-moll aus op. 17 und der Polonaise Nr. 1 cis-moll hält er die so empfindliche Balance zwischen energischem Takt und völlig befreiter Melodie scheinbar intuitiv, als ob es nichts wäre. Das grenzwertig schwierige Scherzo Nr. 4 E-Dur würde man übrigens nicht vielen von Hubers Kolleginnen und Kollegen zutrauen.

Wenn die oft unterbelichtete Mehrstimmigkeit des Klaviersatzes ans Licht kommt

Die eigentliche Sensation dieses Abends ist aber nicht, dass ein Liedpianist quasi ohne Vorankündigung eine derart stupende technische Virtuosität erscheinen lässt. Gerold Huber hat manchem Chopin-Spezialisten eine Fähigkeit voraus: Er kann sich selbst als Solist in das Reagieren auf einen, wenn auch imaginären, Zweiten einstellen. So gleitet er in den Nocturnes Nr. 13 c-moll und dem nachgelassenen in cis-moll nicht in ein selbstgenügsames Monologisieren ab. Sein höhenbetonter, bisweilen reizvoll spitzer Ton bringt vielmehr die oft unterbelichtete Mehrstimmigkeit des Klaviersatzes ans Licht, deckt Chopins polyphone Meisterschaft auf, seine inwendigen Dialoge.

Gleichzeitig hat Huber einen intuitiven Sinn für Chopins immense Dramatik, wenn er etwa in der Ballade Nr. 2 F-Dur mit einem bestürzenden Aufschrei, der die Dame vor dem Kritikerplatz zusammenzucken lässt, einen einzigartigen Furor entfacht. Dabei entgleitet Huber nie die Strenge der Form: Die Wiederholung des idyllischen ersten Teils der Ballade, die leicht dazu verleiten könnte, sie melancholisch verlöschen zu lassen, spielt er wie vorher, nämlich belebt, unsentimental - und damit genau so, wie es der Komponist ausdrücklich vorgeschrieben hat.

Und noch eine Eigenschaft präsentiert Gerold Huber, die dem gängigen Chopin-Bild widerspricht: ein unbändiges spielerisches Temperament. Es äußert sich in der sträflich vernachlässigten Tarantella As-Dur, mit welcher ein Interpret höchste Geschmackssicherheit beweisen kann, als ansteckende Lebensfreude. Eine Sternstunde.

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