Staatskapelle Dresden in Salzburg: Gülden glänzender Wohlklang

Die Staatskapelle Dresden verabschiedet sich mit Konzerten von den Osterfestspielen in Salzburg.
von  Robert Braunmüller
Christian Thielemann dirigiert die Staatskapelle Dresden in Salzburg.
Christian Thielemann dirigiert die Staatskapelle Dresden in Salzburg. © Erika Mayer

Herbert von Karajan pries den "Klang von altem Gold". Der lässt sich in Konzerten und Opernaufführungen der Staatskapelle Dresden bis heute vernehmen. Denn das Orchester ist stolz auf seine Tradition, die es - wie nur noch die Wiener Philharmoniker - gegen die weltweite Vereinheitlichung des Orchesterklangs verteidigt. 

Dresdner Staatskapelle fehlen auftrumpfende Blechbläser

In diesem Jahr verabschiedet sich die Staatskapelle Dresden von den Osterfestspielen in Salzburg. Auf eine Opernpremiere - diesmal Wagners "Lohengrin" - folgen traditionell drei Konzerte. Das erste dirigiert üblicherweise ein Gast, die beiden weiteren der bald scheidende Chefdirigent Christian Thielemann.

Im Glanz des alten Goldes erstrahlten diesmal vor allem Anton Bruckner und Richard Strauss, dessen "Alpensinfonie" dem Orchester gewidmet ist. Erstaunlicherweise traten bei diesem riesig besetzen Werk die Grenzen der Dresdner Orchesterkultur noch deutlicher hervor als am Tag zuvor bei der Siebten von Dmitri Schostakowitsch.

Grundlage des Klangs sind wunderbar warm, dunkel und seidig klingende Streicher. Ihre süffige Süße passt perfekt zur etwas dekorativen Ornamentik der Musik von Richard Strauss. Dazu kommt eine sehr schön und rund spielende Holzbläsergruppe. Was dem Orchester bei aller Klangkultur aber fehlt, ist ein präzise auftrumpfendes Blech, wie es hiesige Konzertbesucher vom Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks kennen.

Schostakowitschs Sinfonie liegt den Musikern nicht

Wenn die Staatskapelle die etwas leere Erhabenheit von "Auf dem Gipfel" mit mehr Lust an der eigenen Kraft veredeln würde, käme das der Musik zugute. Das widerspräche aber dem Klangideal einer schönen Rundung, wobei es den Holzbläsern in der "Alpensinfonie" durchaus gelingt, schrill gemeinte Stellen gellend zu spielen.

Ein Werk wie die Siebte von Schostakowitsch, die Krieg und Gewaltherrschaft durch Groteske und brutale Überwältigung abbildet, liegt den Musikern einfach nicht. Die von Tugan Sokhiev dirigiert Aufführung wirkte daher weit weniger überzeugend als Schostakowitschs Zehnte vor einigen Wochen unter seiner Leitung bei den Münchner Philharmonikern.

Irgendwie scheint Sokhiev das gespürt zu haben: Er betonte den in der Siebten ebenfalls vorhandenden Neoklassizismus und entdeckte elegische Momente im langsamen Satz ebenso wie ein sonst eher unauffälliges Solo der Bassklarinette im Trio des Scherzos. Aber ein Schostakowitsch in Schönheit ohne Grimasse und ohne scharfes Fortissimo bleibt eine halbe Sache.

Bartók und Bruckner spielte das Orchester besser

Mit Béla Bartóks dunklem Viola-Konzert kam das Orchester besser zurecht (Solo: Antoine Tamestit). Viel wohler fühlten sich das Orchester und ihr Chefdirigent bei Bruckners Neunter. Hier passen der Goldgrund zur Neigung des Christian Thielemanns, die Ecken und Kanten der Musik abzuschleifen.

Aber es gehört zur Qualität dieses Dirigenten, dabei nicht restlos konsequent zu sein: Er stellte nach einer vorbereitenden Verdüsterung die krasse Dissonanz am Ende der großen Steigerung im Adagio deutlich heraus. Auch der ruhige Schlussgesang der Tuben und Hörner brach eher unvermutet ab, als wolle der Dirigent herausstellen, dass die Sinfonie unvollendet sei.

Nach der Pause folgte das A-Cappella-Stück "Vexilla regis" und das vom Komponisten als Finale vorgeschlagene "Te Deum" mit dem unvergleichlich anpassungsfähigen Chor des Bayerischen Rundfunks, der sich ganz dem Klangideal des Orchesters fügte. Wer bisher dachte, dass dieses Werk mit katholischer Verzückung und Ekstase zu tun hat, wurde vom Gegenteil belehrt. Aber Bruckner hält auch das aus.

Alte Traditionen fortzusetzen ist nicht immer eine gute Idee

Ab dem nächsten Jahr holt der neue Intendant Nikolaus Bachler immer wieder neue Orchester nach Salzburg. Den Anfang macht das Leipziger Gewandhausorchester, ebenfalls eine Mannschaft mit starker, selbstbewusster Tradition. Bei der Staatskapelle zeigt sich aber zuletzt, dass es zu einer Erstarrung führen kann, wenn ein Chefdirigent die konservative Klangvorstellung des Orchesters bestärkt und nicht weiterentwickelt. Die fehlende künstlerische Reibung mag einer der Gründe sein, wieso die Ära Thielemann in Dresden überraschend jäh endet. Aber einen Dirigenten, der alles umkrempelt, mag man sich bei der Staatskapelle auch nicht vorstellen.


Die Osterfestspiele enden am Ostermontag mit einer Wiederholung von "Lohengrin". Infos zu Restkarten und Programm von 2023 unter osterfestspiele-salzburg.at

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