Sonnenaufgänge

Das Quatuor Ébene begeistert im prall gefüllten Herkulessaal mit Haydn, Bartók und Schumann
Christa Sigg |
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Das Quatuor Ébène begeistert im prall gefüllten Herkulessaal mit Haydn, Bartók und Schumann

Es muss wohl so sein. Kammerspezialisten, die sich durch bloße Blicke verständigen und selbst im wildesten Parforceritt immer noch seismographisch exakt aufeinander reagieren, scheitern – natürlich – an der allereinfachsten Entscheidung: der Zugabe. Also ließ Cellist Raphaël Merlin nach trèèès charmanten Ausführungen das Publikum abstimmen: entweder Errol Garners „Misty“, „Spain“ von Chick Corea oder Hermeto Pascoals „Bebê“.

Was dann grad egal war nach diesem aufregenden, ach was, irren Abend. Denn um das schier Unmögliche zu schaffen, muss das Quatuor Ébène noch nicht einmal in Ausnahmestimmung sein. Primarius Pierre Colombet jedenfalls war im Kopfsatz von Joseph Haydns f-moll-Quartett Hob III:35 op. 20 noch eine Spur unkonzentriert. Pas grave, sagen die Franzosen, das fällt nicht ins Gewicht, wenn sonst alles stimmt im melancholisch dunkel gefärbten Stück, das so gar nichts mit dem Opus-Titel "Sonnenquartette" gemein hat. Bis auf die feinen Steigerungen, mit denen den Ébènes im Mikrobereich Erstaunliches gelingt; kleine, prickelnde Sonnenaufgänge sind das im finalen Fugato, bis zum grandiosen Cello-Ausbruch.

Doch der war ziemlich dezent gegen die schroffen Fortissimo-Salven in Béla Bartóks viertem Streichquartett, dem Glissando-Wahnwitz im Auftakt-Allegro und den allerdings nicht völlig ausgereizten (Saitenrissgefahr!?) Pizzicati im vierten Satz. Aber so kam das energiepralle Ende noch kruder daher.

Die Pause war nötig, um sich für den nächsten Exzess zu wappnen. In Robert Schumanns A-Dur-Quartett op. 41 wollte schließlich alles aufs Tablett, vom bohrenden Gründeln fallender Quinten im ersten Satz über funkelnde „Träumereien“ und einem Adagio wie aus einer anderen Sphäre bis zum auf Kante gespielten farbglühenden Finale.

Die völlig euphorisierten Herkulessaalgänger entschieden sich übrigens für Pascoals „Bebê“. Das ging dann dermaßen lässig über die Rampe, als hätten die Vier nie anderes ge-jazz-geigt.

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