So war das Unheilig-Abschiedskonzert in München
Nicht am Königsplatz, dafür im Zenith holte sich "Der Graf" von Unheilig zum (wahrscheinlich) letzten Mal in München sein Bühnen-Adrenalin – die AZ-Kritik.
Wenn ein Konzert kurzfristig vom Königsplatz ins wesentlich überschaubarere Zenith verlegt wird, so hat das nicht unbedingt mit den sogenannten und oft zitierten "produktionstechnischen Gründen" zu tun. Sondern viel eher wohl damit, dass der Ticketverkauf hinter den Erwartungen zurückblieb. Und das nicht unbedingt nur in München, sondern auf mehreren Stationen der Tournee.
Die Abschiedstour von Unheilig und ihrem Mastermind "Der Graf" leidet unter dem Manko, dass derzeit kein aktueller Radio-Hit der Band läuft. Und von Haus aus natürlich auch unter der Tatsache, dass sie zwischen allen Stühlen sitzt. Gothic? Unsinn. Für einen echten Gothic-Fan ist diese Gruppe ein Ärgernis. Pop? Rock? Vielleicht. Aber mit einem deutlichem Hang zum Schlager. Dennoch kommen genug Fans zusammen, um das Zenith bis auf den letzten Quadratmeter auszuverkaufen. Und der Graf und die Seinen machen ihnen den Abschied wahrlich nicht leicht.
Der Graf polarisiert - äußerlich und inhaltlich
"Aufhören, wenn es am schönsten ist", das sagt sich immer so leicht. Aber nach gut 15 Jahren, drei Nummer 1-Alben und zahlreichen Auszeichnungen weiß Bernd Heinrich Graf (wenn er nun wirklich so heißt) , dass es nun nicht mehr weiter gehen kann auf der Erfolgsleiter, und dass er sich um seine Familie kümmern will. Zumal der Mann mit der stets frisch rasierten Glatze, dem feschen Designer- Bärtchen und dem korrekten Anzug mit Schlips nicht Jedermanns Geschmack ist. Er polarisiert, sowohl vom Äußeren her als auch inhaltlich.
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Auch an die Bühnenshow muss man sich erst mal gewöhnen. Die Rhythmus-Maschinen donnern dominant durch die Boxen, kalte Bühnen- Lichtspiele, und die dunkle Stimme des Grafen wirkt immer ein bisschen penetrant und oberlehrerhaft. Besonders dann, wenn er zwischen den Songs eine seiner zahllosen Geschichten erzählt. Wie zeitaufwendig es zum Beispiel ist, wenn man als Musiker zu einem Fernsehauftritt antreten darf. "Für drei Minuten im TV ist man drei lange Tage voll beschäftigt."
Die Zugabe hat es dann doch in sich
Doch hin und wieder trifft er den richtigen Ton. Zum Beispiel, wenn er sich an das Jahr 2008 erinnert, als er mit seiner Band in dem kleinen Münchner "Backstage" auftrat. "Ihr habt mir Mut gemacht, ein Lied darüber zu schreiben, als ich für einen Freund da sein durfte, als er im Sterben lag. Und dafür danke ich euch heute!" Dann der Hit "An deiner Seite". Andacht schwebt durch die Halle.
Auch bei "So wie du warst" und "Unter deiner Flagge". Und gegen Schluss dann "Große Freiheit", zum Mitsingen für alle. Richtig gut wird dann aber die Zugabe: "Für mich soll's rote Rosen regnen", der Klassiker von Hildegard Knef, und natürlich "Geboren um zu leben", wohl die bekannteste gräfliche Nummer. Und dann ist es soweit: "Der Vorhang fällt". Mal schauen, wie lange es der Graf ohne seine gewohnte Dosis Bühnen-Adrenalin aushält.
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