So ist das neue Album von AC/DC - die AZ-Kritik

Die Zeitgeistlosen: Nach sechs Jahren melden sich AC/DC mit einem neuen Album zurück und wie!
von  Matthias Kerber

Die Hohepriester der fortgeschrittenen Riffologie, die manischen Musik-Monolithen haben nach sechs Jahren wieder das heilige Buch der AC/DC-Lehre geöffnet und predigen voller Drei-Akkord-Inbrunst ihr Credo des Simplicissimus maximus. Wer bei dem Eröffnungsriff des Titelsongs „Rock Or Bust“ nicht nach fünf Sekunden weiß, dass hier Angus Young, der Zappelphilipp-Gitarrist in Schuluniform, seine Finger an der Klampfe hat, der muss in den letzten 40 Jahre die Rock-Musik als verwerfliches Teufelswerk abgetan haben.

Ein klassisches Riff, stampfender Groove, Gang-Chorus, dazu Brian Johnsons Verheißungsorgan. AC/DC, wie sie leiben und leben. Elf Songs, die vier Mal das Wort „Rock“ im Titel tragen, 35 Minuten Spielzeit, Texte, die sich in den Gürtellinien-Regionen bewegen und diese gerne mal genüsslich unterschreiten. Genau so kennt man AC/DC im Jahre 2014, so kannte man sie 2004, 1994 und schon 1984. Die Lehre von den vier Buchstaben und dem Blitz wird keinem Zeitgeist geopfert.

Die australischen Serientäter des dreckigen Blues-Rocks haben ihren Modus operandi nur einmal ändern müssen: 1980, als Kult-Sänger Bon Scott an seinem Erbrochenen erstickte und den „Highway To Hell“ betrat. Das Organ von Nachfolger Johnson klingt oft, als würde er an Dauer-Obstipation leiden. Doch so variantenreich wie jetzt hat man den 67-Jährigen seit „Back In Black“ (1980!) noch nie gehört. Die Strukturen sind simpel, aber nie primitiv. Die Meister sind nicht alt, sondern altehrwürdig. Dabei war nicht klar, ob AC/DC überhaupt noch einmal die Schrammel-Schatztruhe öffnen würden. Malcolm Young, der Kopf der Band, wird die Sechssaitige nie wieder für sich sprechen lassen. Er ist an fortgeschrittener Demenz erkrankt, seinen Part übernimmt Neffe Stevie Young. Zudem lauscht Drummer Rhil Rudd bei der Dreifaltigkeit des „Sex ‘n’ Drugs and Rock ‘n’ Roll“ seit einiger Zeit vor allem dem Mittelteil. Ihm droht in Neuseeland ein Prozess wegen Drogenbesitzes und ausgestoßener Morddrohungen.

Doch AC/DC rocken alle Sorgen weg. Auf „Rock The Blues Away“ erklingen fast poppige „The Who“-Zitate. „Miss Adventure“ erinnert sich an das Erfolgsrezept der „Thunderstruck“-Chöre, versprüht lasziven Horizontal-Charme. „Dogs Of War“ kommt bedrohlich düster daher. „Rock ‘n’ Roll Thunder“ offenbart einen Klatsch-Stampf-Rhythmus mit Mitgröhl-Charakter, der jeden Drei-Promille-Test locker besteht. „Hard Times“ und „Sweet Candy“ huldigen dem Sex und Rock aus der Dreifaltigkeit. „Rock the House“ übt sich in Led-Zeppelin-Gefilden. Auch wenn kein neues „T.N.T“ oder „Hells Bells“ geboren wurde, die Rock-Ikonen haben den Thron wieder bestiegen. In ihrer 35-Minuten-Predigt haben die Riff-Hohepriester alles gesagt, was sie zu sagen haben. Nicht mehr, nicht weniger. Hallelulja und Amen!

AC/DC - „Rock or Bust“ (Sony)

 

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