Kritik

Simone Young dirigiert Brahms

Das Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks mit derDritten und Vierten im Herkulessaal
von  Robert Braunmüller
Simone Young beim Konzert mit dem BR-Symphonieorchester im Herkulessaal der Residenz.
Simone Young beim Konzert mit dem BR-Symphonieorchester im Herkulessaal der Residenz. © BR/Astrid Ackermann

Die Münchner Philharmoniker befinden sich mit ihrem Brahms-Zyklus unter dem altersweisen Zubin Mehta auf einem Höhenflug. Es ist gewiss kein reines Vergnügen, nun gleichzeitig Symphonien des selben Komponisten mit dem Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks aufführen zu müssen, dem krankheitsbedingt der Dirigent Herbert Blomstedt abhanden gekommen ist. Und das alles in einer Woche, in der Bayerns Ministerpräsident verkündete, er könne auch mit der halben Zahl an Rundfunkorchestern ganz gut leben.

Simone Young beim Konzert mit dem BR-Symphonieorchester im Herkulessaal der Residenz.
Simone Young beim Konzert mit dem BR-Symphonieorchester im Herkulessaal der Residenz. © BR/Astrid Ackermann

Simone Young hat den undankbaren Job auf sich genommen - und das mit einem mehr als achtbaren Ergebnis. Im ersten Satz der Dritten musste man sich - den Goldklang der Philharmoniker im Ohr - noch an die etwas harten und stumpfen Bläser gewöhnen, die bei Konzerten des BR-Symphonieorchesters regelmäßig gegen die Akustik des Herkulessaals protestieren. Manches wirkte kurzatmig und kleinteilig. Auch das Hauptthema des Andantes spielte das Holz sehr rustikal. Und nicht in jedem Moment bewirkte die gegenüber den Philharmonikern viel schlankere Orchesterbesetzung ein Mehr an Transparenz.

In der Ruhe liegt die Kraft

Dann, beim choralartigen Seitenthema und seinen Zerlegungen, platzte der Knoten. Das Orchester riskiert es, leise und trotzdem ausdrucksstark zu spielen. Auch im dritten Satz dominierte Ruhe, und dann gelang es Simone Young, das aufgewühlte und doch still endende Finale ohne jeden Spannungsabfall zu dirigieren.

Auf ähnlich hohem Niveau gelang die Vierte. Simone Young arbeitete heraus, dass der Schluss des ersten Satzes das Passacaglia-Finale vorbereitet. Im zweiten Satz beeindruckte die Gelassenheit und die Noblesse der Steigerung.

Das überdrehte Allegro giocoso wirkte wie ein erstes Finale. Der Einsatz des Themas im vierten Satz brachte dennoch eine Steigerung. Auch hier gelang es, die Ausdrucksdichte über den Ruhepunkt des überragend gespielten Flötensolos hinweg zu halten. Den Schluss scheint die Dirigentin nicht als Kulmination, sondern als Abbruch einer Entwicklung zu verstehen, was ein wenig irritierte, weil es zwar musikalisch überzeugte, nicht jedoch von der Gestik der Dirigentin her.

Das Orchester wirkte nicht überzeugt

Simone Youngs Brahms ist herber, kräftiger, grimmiger und energischer wie der von Zubin Mehta. Aber es gibt bei diesem Komponisten keine Wahrheit, sondern eine Vielfalt.

Am Ende mag sich mancher gefragt haben, wieso diese Dirigentin in München in den letzten Jahren immer nur als Einspringerin auftaucht. Die Körpersprache und Mimik einiger tonangebender Musiker beim Schlussapplaus war vielsagend. Das muss nichts mit einem Vorurteil gegenüber Dirigentinnen zu tun haben. Nur trifft diese Art von Missmut dirigierende Frauen bei diesem Orchester unverdient oft, weshalb sie vorbeugend gar nicht erst engagiert werden. Was schade ist.

Mitschnitte des Konzerts auf br-klassik. de und brso.de

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