Shania Twain in der Olympiahalle in München: Die Konzert-Kritik

Durchchoreografiert und steril, nahbar und entrückt im ständigen Wechsel: Shania Twain in der Olympiahalle.
von  Dominik Petzold
Shania Twain im Juli bei einem Konzert in Boston.
Shania Twain im Juli bei einem Konzert in Boston. © dpa

Kann man gleichzeitig unerreichbarer Star und volksnah sein? Shania Twain gibt sich in der Olympiahalle jedenfalls große Mühe, diesen Spagat hinzukriegen, von Anfang an: Sie betritt die Arena überraschend über die Seitentreppe, schreitet zu "We Will Rock You"-Getrommel in Glitzerkleid und Glitzercowboyhut durch die Reihen und klatscht die Fans am Wegesrand ab.

Als sie die Bühne erreicht hat, sagt sie ein paar Worte, und losgeht die minutiös choreographierte Bombast-Show mit "Life’s About To Get Good". Ein schönes Versprechen, nur: Wo sind die Musiker, die mit ihr das Leben der Zuschauer versüßen sollen? Erst bei der zweiten Nummer, passenderweise "Come On Over", kommen ein paar vorbei – beziehungsweise werden auf den riesigen Quader in der Bühnenmitte gehoben. Der teilt sich danach in zwei Würfel, die zugleich dreidimensionale LED-Leinwände und Bühnenpodeste für die Musiker sind. Und drei weitere Würfel schweben noch von der Decke herab.

Manchmal singt Shania auch live zu Voll-Playback

Diese werden bei jedem Song neu angeordnet – und die Tänzer und Musiker ebenfalls. Mal geigen sie hier, mal gniedeln sie dort. Die arme Drummerin wird ständig mitsamt Schlagzeug hin- und hergeschoben, einmal entschwebt sie auf einem Podest bis knapp unter das Hallendach. Manchmal sind die Musiker auch nur als Video-Projektionen auf den Würfeln zu sehen. Insgesamt vier stehen auf der Bühne, aber eine Band sind sie nicht: Teile der Musik sind Playback, zum Beispiel der Bass. Manchmal singt Shania auch live zu Voll-Playback. Das ist bei einer solch großen Produktion rätselhaft, die Musik wird so unnötig steriler, die Show ebenfalls.

Die bietet bei jedem Song eine neue Optik: Einmal versetzen die LED-Würfel Shania in eine Bar, wo sie "More Fun" sucht. Beim live beeindruckenden "That Don’t Impress Me Much" fügt sich ihr Tigermuster-Kostüm perfekt zu den entsprechend Hintergrundbildern – es ist eines von mehr als einem halben Dutzend wechselnder Outfits. Bei "Any Man Of Mine" trägt sie zu durchsichtigem Rock wieder Cowboy-Hut: Mit diesem und zwei weiteren Songs erinnert sie an ihre Country-Wurzeln – die wenigen Zuschauer im Western-Dress werden sich Freude haben.

Dann sitzt sie mit Akustikgitarre auf einer kleinen Bühne in der Mitte der Halle, hinter ihr ein Gitarrenkoffer, der liebevoll-stimmig mit Dutzenden Aufklebern versehen wurde, sicherlich von Designprofis. Sie singt die Ballade "You’re Still The One" von ihrem Album "Come On Over" von 1997. AC/DC-Produzent Robert John "Mutt" Lange, ihr damaliger Mann, hat es mit ihr geschrieben und für sie produziert, es ist das meistverkaufte Album einer Sängerin überhaupt. Und bei diesen so eingängigen wie raffinierten Mainstream-Poprock-Stücken ist das kein Wunder. Sie sind aber auch um Welten besser als viele andere Songs, auch als die neueren Stücke von "Now", Shania Twains erstem Album seit 15 Jahren.

Shania Twain sucht Nähe zu den Fans

Bei ihrem Abstecher in die Mitte der Halle sucht sie dann die Nähe zu ihren Fans. "Ich würde so gern ein paar von Euch persönlich kennenlernen", sagt sie. Also lädt sie sechs Damen zu sich: Sie dürfen Selfies machen, Shania umarmen und aufpassen, nicht von der winzigen Bühne zu fallen. "Das ist meine größte Angst", sagt Twain. Dann schreitet sie durch die Reihen zurück zur Hauptbühne, wo schon ein 14-Jähriger im Fan-Pullover auf sie wartet. Nach kurzem, schüchternem Geplänkel kniet er sich auf Shania Wunsch hin, und sie steigt über seinen Oberschenkel aufs Klavier, wo sie das nächste Lied singt.

Doch so gefühlt endlos lang dieses Bad in der Fanmenge dauert, so blitzschnell ist Shania Twain dann später auch wieder verschwunden. Mit "Man! I Feel Like A Woman" spielt sie am Schluss einen der größten Kracher des Abends, winkt noch mal kurz, während die Band weiterspielt. Wer jetzt kurz wegsieht, verpasst, wie sie wortlos im Boden der Bühne verschwindet. Das Licht geht an, die Fans jubeln noch, der Star ist weg.

 

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