Servus auf dem Surfbrett

Im Nationaltheater verabschiedet sich Kent Nagano von der Akademie des Staatsorchesters mit Mahler, Chin, Berg und Beethoven  
von  Robert Braunmüller

Im Nationaltheater verabschiedet sich Kent Nagano von der Akademie des Staatsorchesters mit Mahler, Chin, Berg und Beethoven

Das Cello ist das leiseste aller Solo-Instrumente. In den Konzerten von Dvorák & Co. kämpft der Solist um den Klang und sein musikalisches Leben. Und so wurde einem angst und bang, als sich in der Umbaupause das große Orchester des Adagios aus Mahlers Zehnter noch um ein halbes Dutzend Schlagzeuger vermehrte.

Doch das Cello-Konzert von Unsuk Chin erwies sich als ausgesprochen zurückhaltend instrumentiert. Die 1961 geborene Komponistin der vor sechs Jahren von Kent Nagano im Nationaltheater uraufgeführten Oper „Alice in Wonderland“ fächtere den Klang der Massen auf und hüllte im ersten Satz den traurigen Gesang des Cellos in zarte Klangfelder. Der zweite gab dem Solisten Alban Gerhardt die Gelegenheit zu hoher Virtuosität, ehe er im dritten Satz die Obertöne zum Schwingen brachte. Im Finale gab es dann ein paar heftige, bewusst gesetzte Gewaltschläge des Orchesters als Gegensatz zur eher lyrischen Grundstimmung eines Stücks, das die Tradition respektiert und dennoch in einer kompromisslos gegenwärtigen Klangsprache gehalten ist.

Die Eisbach-Welle wartet immer noch auf Nagano

In dieser Haltung stand es symbolisch für den Anlass: das letzte Akademiekonzert Kent Naganos als Bayerischer Generalmusikdirektor, das künstlerische Absichten der vergangenen Jahre zusammen führte und mit dem Adagio aus Mahlers Zehnter begann. Das Staatsorchester prunkte mit seinem altgoldenen Streicherklang und spielte mit den unvermeidlichen Wacklern, die leider unvermeidlich sind, wenn dieser Satz am Beginn eines Abends gespielt wird. Nach der Pause folgten Alban Bergs „Drei Orchesterstücke“, farbig und klar interpretiert, als seien sie von Debussy – eine schöne Erinnerung an den „Wozzeck“, einen der Höhepunkte der Ära Nagano. Wiederum versöhnte der Dirigent die Traditionsreste mit dem Konstruktivismus und münzte die Überladenheit der Partitur so weit als irgend möglich in Reichtum um. Differenzierter wird man dieses Stück so bald nicht wieder hören.

Kurz vor Zehn begann noch Beethovens Achte mit Drive und kühlem Feuer, aber auch etwas zu glatt und selbstverständlich gespielt. Das ändert jedoch nichts am Grundeindruck: Auch wenn Nagano der Mehrheit unter den Musikern nie richtig ans Herz gewachsen ist, hat sich das Orchester in den vergangenen sieben Jahren doch beträchtlich weiterentwickelt und seinen Klang verfeinert. Was auch immer gegen den Operndirigenten und Sängerbegleiter Nagano eingewendet werden mag: Seine Konzert waren stets interessant und in ihrer Verbindnung älterer mit neuer Musik glücklich programmiert, auch wenn der anfängliche Elan bald gebremst schien. In den Aufführungen der Symphonien Anton Bruckners – vor allem der Siebten und den Urfassungen der Vierten und Achten – kam das Traditionsverständnis des Staatsorchesters aufregend mit Naganos sensueller, von der Auseinandersetzung mit der Neuen Musik geprägten Sicht zusammen.

Bei der anschließenden Feier auf der Hinterbühne bekam Kent Nagano ein von allen Musikern signiertes Surfbrett geschenkt – in Anspielung auf seine kalifornische Herkunft und das nie eingelöste Versprechen, die Eisbach-Welle auszuprobieren. Dem Vernehmen nach bleibt Nagano auch als Musikchef der Hamburger Oper dem Staatsorchester verbunden: Es sind weitere Akademiekonzerte unter seiner Leitung geplant.

merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.