Semyon Bychkov und sein Familienbetrieb

Semyon Bychkov, die Labéque-Schwestern und die Münchner Philharmoniker mit Bernstein, Berio und Rachmaninow im Gasteig
von  Robert Braunmüller
Irgendwie kann man es ja verstehen, dass Semyon Bychkov am liebsten mit den ewig jungen Labéque-Schwestern zusammenarbeitet, die 1950 und 1952 in Lyon geboren wurden.
Irgendwie kann man es ja verstehen, dass Semyon Bychkov am liebsten mit den ewig jungen Labéque-Schwestern zusammenarbeitet, die 1950 und 1952 in Lyon geboren wurden. © Nicoletti

Im Sommer übernimmt Semyon Bychkov den Bayreuther „Parsifal“. Ausgehend von den beiden Konzerten des Dirigenten mit den Münchner Philharmonikern muss davon ausgegangen werden, dass die Labéque-Schwestern als Vorband Mendelssohns „Reformationssymphonie“ wegen des Gralsmotiv-Bezugs mit zwei Schlagzeugern zu Gehör bringen werden , um anschließend als Blumenmädchen aufzutreten.

Bychkov ist mit einer der Schwestern verheiratet. Dieses Vergnügen wollen wir ihm nicht nehmen, ebenso wenig Reisen und Auftritte im Dreierpack. Aber es geht zu weit, die Damen in einem Abokonzert der Münchner Philharmoniker eine orchesterlose Bearbeitung der „Symphonischen Tänze“ aus der „West Side Story“ von Leonard Bernstein spielen zu lassen, für die extra zwei befreundete Perkussionisten engagiert werden müssen, die dann auch nicht besser spielen, als es jeder Schlagzeuger der Münchner Philharmoniker tun würde.

Respektlos 

Eine Respektlosigkeit gegenüber den eigenen Musikern. Dabei war das Konzert beziehungsreich zusammengestellt. Die Vitalität der „Symphonische Tänze“ Bernsteins kontrastierte mit der Morbidität des gleichnamigen Werks von Sergej Rachmaninow. Dazwischen dirigierte Bychkov Luciano Berios postmoderne „Sinfonia“, die mit ihren Zitaten von Mahler bis Richard Strauss die rückblickende Haltung Rachmaninows radikalisiert und ins Zukünftige wendet.

Praktisch funktionierte es wegen zweier langer Umbaupausen weniger gut. Das fetzige Spiel der beiden Labéques verlor sich im weiten Raum des Gasteig. Dieser VierpersonenBernstein gehört in einen Club, nicht in einen Riesensaal. Bernsteins Original für Orchester ist außerdem prägnanter als diese geschwätzige Bearbeitung für zwei Klaviere und Schlagzeug.

In Berios „Sinfonia“ – 1968 von Bernstein für das New York Philharmonic Orchestra in Auftrag gegeben – kommt es vor allem auf die Balance zwischen den (verstärkten) Singstimmen und dem großen Orchester an. Bychkov entschied sich dafür, die London Voices wie eine weitere Orchestergruppe zu behandeln, in den Gesamtklang zu integrieren und den Sound trotzdem transparent zu halten. Das funktionierte gut.

Gelungener Rachmaninow

Aber der Dirigent ist nicht nur ein exzellenter Klangregisseur. Er traf auch die schwer bestimmbare Seele der „Symphonischen Tänze“ Rachmaninows. Nichts erinnerte bei diesem 1941 entstandenen Abgesang auf die russische Musiktradition an Filmmusik. Der Saxofonist spielte seine Soli kantabler, als es anderen Musikern auf diesem Instrument gegeben ist, seine Kollegen nahmen Rachmaninow nicht minder ernst.

Bychkov kehrte die untergründige Trauer dieser Musik hervor, ohne sich im Sentiment zu verlieren. Das ist nicht einfach. Von diesem Werk gibt es übrigens auch eine Version für zwei Klaviere. Hoffen wir, dass der Dirigent keinen Krach mit seiner Gattin und der Schwägerin bekommt, weil er ausnahmsweise auf die Philharmoniker gesetzt hat. Als Entschuldigung dirigiert Bychkov diese Woche ein zweites Philharmoniker-Programm, und da ist die unvermeidliche Verwandtschaft wieder zur Stelle.

Am Mi., Do. und Fr. dirigiert Bychkov um 20 Uhr das Konzert für zwei Klaviere von Max Bruch mit den Labéque und Schuberts Achter in C-Dur im Gasteig

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