Seltsame Reinheit
Frühstück ist fertig! Ein Becher Wein, an einem Knochen saugen, auf dem Mikrofon herumkauen. So machen das die Babyshambles. Sechs Jahre nach ihrem letzten Studioalbum, vier Jahre nach Pete Dohertys erstem Solowerk „Grace/Wastelands“. „Sequel To The Prequel“ heißt das Album. Der Nachfolger des Vorgängers tritt mit der zerstörerischen Freude des urbritischen Punk die Tür ein.
Gleich nach dem Frühstück stellt sich in „Fireman“ der Sänger vor: „I am a fireman / living in a bomb shelter“. Wie er das „bomb“ knallen lässt, in dem er einen Vokal anfügt, könnte er auch glatt Anti-Christ und Anarchist sein, ein Widergänger dessen, der Anarchy über the UK brachte.
„Fall From Grace“ beginnt mit einem Gitarrenlick, das eindeutig Dylans „I Want You“ zitiert, reduziert auf einen Akkordwechsel. So für sich erzählt der Sänger von Dingen, in seinem Kopf. Und dann öffnet sich der Song zum Country mit edlen Bending-Notes der Gitarre. Der Sänger richtet sich auf, die Hände von Fesseln befreit. Am Horizont erblickt er ein Stückchen Land: „Können wir irgendwo hingehen, wo sie mein Gesicht nicht kennen?“
Schwer, sie noch auseinanderzuhalten, den Ich-Erzähler und Pete Doherty, der, immer wenn mal wieder eine Besetzung für das Medien-Klischee des Skandalrockers gesucht wird, zwangsverpflichtet wird. Der sich schutzlos den Gaffern in öffentlicher Selbstzerstörung auslieferte. Ein schwerst Suchtkranker hat das so nötig wie eine zusätzliche Immunschwäche.
Dabei ist dies kein Pete-Solo-Unternehmen. Auch bei diesem Song arbeitete der Freund und ehemalige Bandits Mann John Robinson mit. Auch das mit Geige und Akustikgitarre zart instrumentierte „Picture Me In A Hospital“ ist wohl, obwohl von Doherty geschrieben, kein Song über ihn, sondern über Bassist McConnell, der 2011 bei einem Unfall schwer verletzt wurde.
In Spanien hat die Band Songs komponiert, sie dem mittlerweile in Paris lebenden Pete vorgespielt. Durch viele Umstände sind die Babyshambles ein fragiles Konstrukt, das hier aber ein ungeheuerlich starkes Album geschafft hat. „Farmers Daughter“ holt langsam und tief Luft um dann einen Refrain mit strahlender Aura zu offenbaren – mit Petes Stimme in seltsamer Kraft und Reinheit. Dazu passt das Cover: Damien Hirst, der gerne für Bands arbeitet, hat die Fliehkräfte spielen lassen und überlagert die Kontur der Gruppe mit einer Farbdetonation, die ihr Zentrum auf Pete Dohertys Herzseite hat. Neu ist die Idee aus dem Fundus Hirstscher Ideen allerdings nicht. 2009 sah sein Cover für The Hours ganz ähnlich aus.
Den Ska-Versuch „Dr. No“ mal ausgeklammert, hat diese Platte eine bezwingende Dramaturgie, die mit der brit-glam-rockenden Nummer „Seven Shades Of Nothing“ auf ihr Ziel zuschießt und mit „Minefield“ einen unentrinnbar einsamen Abschluss findet. Rock’n’Roll ist hier endlich mal wieder eine Bedürfnisanstalt mit angeschlossenem Klärwerk der Gefühle.
Babyshambles: „Sequel To The Prequel“ (Parlophone/Warner)