Schöne Lieder, nette Jugend

Zweimal Muffathalle, zweimal ausverkauft: Die Band AnnenMayKantereit eckt niemals an und macht alle zufrieden
Michael Stadler |
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Henning May von der Band AnnenMayKantereit spielt auf einer Melodica.
Lukas Schulze/dpa Henning May von der Band AnnenMayKantereit spielt auf einer Melodica.

Schon seltsam, wohin heute die Sehnsüchte gehen. Könnten die Fantasien doch in Richtung Ausbruch und Abenteuer gehen, zu was Spektakulärem, Unangepassten, so singt Henning May von einer Fernbeziehung und einem Wunsch, der etwa in München gar nicht so leicht zu erfüllen ist: „Ich würd gern mit dir in ‘ner Altbauwohnung wohn‘/Zwei Zimmer, Küche, Bad und ‘n kleiner Balkon.“

Da fehlt eigentlich nur noch der kleine grüne Kaktus zum gemeinsamen Glück. Aber, Moment, mit Ironie darf man dem Phänomen AnnenMayKantereit nicht begegnen, denn dann trifft diese Ironie wohl gleich eine ganze Generation der Twentysomethings. Das denkt man sich zumindest in der ausverkauften Muffathalle, wo die weitgehend junge Menge lautstark beim Refrain mit der Altbauwohnung mitsingt.

Irgendeinen Nerv muss die Band aus Köln getroffen haben, irgendwie müssen die Texte in die Seele der Jugend sprechen, anders kann man sich den annenmaykantereitschen Erfolg einfach nicht erklären. Ihre Musik folgt ohne gewaltige Inspiration dem Schema F des Songschreibens, markante Ausreißer, gewagte Melodienbögen gibt es nicht, dafür ein bisschen Pop und Blues, auch im Konzert. Und Alltagsthemen, darunter das „Neue Zimmer“, das der trödelnde, trudelnde Student noch nicht fertig eingerichtet hat. Oder die melancholische Ausleuchtung des Liebesschmerzes, was bei „Nicht Nichts“, dem Opener des Konzerts, dazu führt, dass das lyrische Ich nicht mehr aus dem Bett kommt.

Was auf dem ersten Studioalbum „Alles Nix Konkretes“ schlicht eingängig klingt, also eingängig ist, weil es keine Ambition zum Weltbewegendem gibt, das geht auch beim Konzert angenehm ins Ohr. Man spürt das Bewusstsein dafür, dass die Marke AnnenMayKantereit gerade vom Unspektakulären lebt. Das kann man ungemein gefällig finden. Oder sympathisch, weil vier Jungs aus Köln – Bassist Malte Huck ergänzt das Trio -, geschickt die sozialen Medien nutzten und irgendwie einen Hype schafften, der sie zu einem Majorlabel spülte. Dann Nummer eins mit dem offiziellen Debütalbum, jetzt die ausverkaufte Deutschlandtournee. Respekt.

Das tiefe Pathos, das liegt in der Stimme von Henning May, der als Rampensau nicht herumtobt, sondern meist einfach dasteht oder am E-Piano sitzt und dabei so kraftvoll dunkel singt, als ob er morgens Stacheldraht gurgelt und abends wenigstens ein paar Bier trinkt, raucht, etwas Dreck in die Lunge pumpt. Christopher Annen ist ein guter Gitarrist, wie alles gut hier ist, und er greift ab und zu zur Mundharmonika für sparsame Soli.

Die Band singt vom Leben in der Schwebe

Insgesamt entleihen sie dem Blues die Melancholie und ein paar Kanten, so brav, dass es nicht wehtut. Vor drei Jahren haben sie noch im Sunny Red vor fünfzig Leuten gespielt, erzählt Schlagzeuger Severin Kantereit, da steckt schon Stolz dahinter, und Kantereit bedient die Drums grundsolide. Alles gut geerdet, während in den Texten die Schwebe herrscht: „Ich halt dich nicht fest und ich lass dich nicht los“ - das zeugt von einem Trennungsschmerz, der nicht ins Psychopathische geht.

Henning May applaudiert gerne seinen Kumpels sowie den beiden sehr jungen Solisten, einer mit der Trompete, eine mit der Posaune, die sie aus München kennen und eingeladen haben, um kurz mitzuspielen. Mit „Pocahontas“ wird eine Verflossene besungen, die Mädels im Publikum singen mit, und wenn Henning May solo „Barfuß am Klavier“ interpretiert, ist das, Zitat Nebensteherin, „süß“. Mehr gibt es dazu nicht zu sagen. AnnenMayKantereit spielten, und alle gingen zufrieden nach Hause.
 

 

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