Schmäh aus der Slowakei
Musik wie ein wildes, kunstvolles Parfüm: Das Janoska-Ensemble aus Bratislawa verbindet Klassik mit Jazz, Volksmusik und viel Energie
Geile Optik, Superlative, Skandale! Um Klassik erfolgreich zu vermarkten, braucht es heute mehr als Talent. Aber beim Janoska-Ensemble gibt es vor allem Talent. Dem anderen Zirkus entziehen sich die vier sympathisch pausbäckigen Musiker am Flügel, zwei Geigen und einem Kontrabass noch und sind dabei gut gelaunt, unarrogant und auch noch nicht PR-geglättet.
Die Anzüge sitzen ein bisschen schief, die Klaviertasten-Krawatte ist albern, die dunklen Haare sind ein bisschen fad hinterfrisiert – aber die Janoskas sind authentisch, hoch virtuos und haben eine Freude am Musizieren, die sich sofort auf den Zuhörer überträgt. Dann kommt doch so ein Marketing-Wort: das „Label“ für ihre Musik, die sie ein wenig affig englisch, dafür aber international, den „Janoska-Style“ nennen, der aber nicht in die Cross-Over-Schublade gesteckt werden soll. „Das ist, wenn man zu einer Opernarie Schlagzeug dazu packt. Das kann auch gut und wunderbar sein. Wir aber machen was anderes“, stellt der Pianist František Janoska klar. Ihr Stil klingt neu und vertraut zugleich und ist wie ein Parfüm aufgebaut: mit Basisnote, einem strukturgebenden Fundament, meist ein klassisches Stück.
Weitergedreht
Dann Herz- und Kopfnoten: verschiedene Stile werden darüber gebaut, wechseln sich ab, reichern an, akzentuieren, lassen durch Gypsy-Versatzstücke heimatlich klingen, durch Balladen-Beigabe schmelzig-romantisch, durch Jazz witzig-leicht, frech und schwingend. Die janoskasche Bearbeitung vervollkommnet manche Stücke, so ihre „Fledermaus“-Ouvertüre, dass sie dem Geist und Gefühl von Johann Strauß ganz nah ist, wenn sich mit „Those were the Days“ ein etwas schmissig-melancholisches, russisches Lied druntermischt und dadurch den Rausch noch eine Schraube weiterdreht.
Doch ist es unsinnig, im Konzert zu sitzen und angestrengt die einzelnen Melodie-Teile herauskennen zu wollen. Besser gönnt man sich die Überraschung dabei zuzuhören, wie sich etwas Vertrautes, Bekanntes in Neues verwandelt - sich dabei verändert und dem musikalischen Wesen trotzdem treu bleibt.
Ausgedacht haben sich den Stil die drei Brüder, Roman, Ondrej und František Janoska. Julius Darvas, der über die Ehe mit einer Cousine in die traditionsreiche Musiker-Familie Janoska eingeheiratet hat, wurde in ihrem Kreis mit aufgenommen. Wenn die Großfamilie zusammenkommt, tönen 150 Musiker aus allen Ecken und Enden. Es war immer Musik, zu Hause in Bratislava. Der Vater, selbst tourender Unterhaltungsmusiker, war für die Janoska Kinder der erste Lehrer und in den frühen Jahren die wichtigste musikalische Bezugsgröße.
Jazz als Prägung
Von seinen Reisen brachte er Schallplatten mit – vor allem die Oscar Petersen-Platte hörten sie wieder und wieder. Dieser Jazz wurde eine prägende Stilrichtung für die Janoskas, die früh Instrumente lernten und bald zur klassischen Ausbildung nach Wien gingen. Musikschule, Konservatorium, Hochschule – außerhalb des Unterrichts hörte Roman Janoska gern Elvis Presley – ein großes Vorbild für den Jazz-Violinisten, dem er auch optisch ein wenig nachzueifern scheint. Auch Michael Jackson und Charlie Parker verehrt er- und seinen großen Bruder Ondrej, der schon längst die Geige fiedelt, als Roman noch kinderklein zu ihm hochschaut. Sie hören und verehren alles durcheinander, Martha Agerich, Keith Jarett, George Benson, auch Whitney Houston, Ella Fitzgerald, Tony Bennett.
Nach Meisterklassen und jeweiligen Karrieren in renommierten Klangkörpern und solistischen Erfolgen finden die vier 2013 wieder zusammen. Irgendetwas hatte ihnen gefehlt bei den Wiener Philharmonikern, bei Anna Netrebko: das Sentiment, das Heimatgefühl und ihre Janoska-Perspektive auf die klassische Musik, mit der sie sich etwas Neues erarbeiten wollen. Sie stecken die Köpfe zusammen und entwickeln ihren eigenen Stil. Klassik, Jazz, Volksmusik, ein bisschen Zigeuner-Energie – sie bringen alles zusammen und lassen es aufeinander wirken.
Virtuose Improvisation
Welches Stück, welcher Stil mit aufgenommen wird, entscheiden sie zusammen. Jeder darf Vorschläge einreichen, tüftelt und entwickelt mit. Dann schreibt František Janoska, Arrangeur der Truppe, eine erste Version auf, die in Auseinandersetzungsproben weiter verfeinert wird. Danach wird das Stück auf der Bühne getestet. Aber es klingt in jedem Konzert anders – weil die Vier virtuos improvisieren. „Etwa 70 Prozent der Musik habe ich aufs Blatt notiert. Der Rest ist jedes Mal eine Überraschung“, sagt František. „Das Improvisieren war auch in der Klassik mal sehr üblich“, erklärt er. „In der Barockzeit, bei Bach, war es normal, dass der Komponist sich ein Thema wählt und dazu improvisiert. Etwas, das heute in der ernsten Musik leider verlorengegangen ist. Das wollen wir wieder zurück auf die Bühne bringen“.
Das macht ihr Business für Janoskas so reizvoll. In der Schubladen-Enge eines Genres würden sie sich heute schrecklich langweilen.
Janoska Ensemble: So., 29. Januar, 19.30 Uhr, Prinzregententheater, Karten unter Telefon 93 60 93 und www.muenchenticket.de Die CD „Janoska Ensemble - Janoska Style“ ist bei der Deutschen Grammophon erschienen