Kritik

Schiere Perfektion in der Isarphilharmonie

Die Bamberger Symphoniker mit dem "Ring ohne Worte" in der Isarphilharmonie.
von  Michael Bastian Weiß
Jakub Hrusa, der Chefdirigent der Bamberger Symphoniker.
Jakub Hrusa, der Chefdirigent der Bamberger Symphoniker. © picture alliance / dpa

Es soll ja Leute geben, die Richard Wagners Musik ganz in Ordnung fänden, wenn nicht die Singstimmen immer das Orchester zudecken würden. Der Dirigent Lorin Maazel arrangierte unter dem Titel "Der Ring des Nibelungen ohne Worte" einen Schnelldurchlauf durch alle vier Abende, wobei er gute 15 Stunden Musik auf eine gut 70-minütige symphonische Synthese zusammendampfte.

Ein veritables Orchesterkonzert

So, wie die Bamberger Symphoniker das unter der Leitung ihres Chefdirigenten Jakub Hruša spielen, ist Maazels gelungene Bearbeitung mehr als eine Art virtueller Symphonie, nämlich ein veritables Orchesterkonzert. Die Bamberger waren immer ein charaktervoller Klangkörper, aber in den bald sechs Jahren seit Hrušas Amtsantritt haben sie sich dem Niveau europäischer Hauptstadtphilharmoniker angenähert.

Nicht nur ist der Gesamtklang wunderbar rund und warm, das Tutti ist auch wohldefiniert und durchgeformt wie ein menschlicher Leib, der sich in der Isarphilharmonie kraftvoll, zärtlich oder tänzerisch bewegen kann. Doch die schiere Perfektion ist nicht etwa seelenlos. Vielmehr genießen die Bamberger Gruppen ihre Auftritte auf unwiderstehliche Weise.

Ganz ohne Worte geht es nicht

Die Hörner setzen in der schwer zu treffenden Tiefe des "Rheingold"-Vorspiels im zartesten Pianissimo ein, die Holzbläser erfüllen das Waldweben im "Siegfried" mit süßestem Vogelgesang. Und am Schluss der "Götterdämmerung" geht die alte Welt des Mythos in einem grandiosen orchestralen Strudel unter, den Hruša mit langem Atem angestaut hat. Ganz ohne Worte geht es dann doch nicht. Und das ist gut so.

Ein seliges Publikum

An geschickt gewählten Stellen bleibt ein Streichertremolo oder ein Paukenwirbel liegen und lässt Raum für Texte von Friedrich Nietzsche bis George Bernard Shaw, die der amerikanische Musikkritiker Alex Ross collagiert hat. Jens Harzer, lange einer von Dieter Dorns wichtigsten Schauspielern, kann aus einem Satz ein vollgültiges Sprachkunstwerk machen, in dem eine Wendung wie "Wiegenlied der Welt" oder "Wallala weialala weia" verträumt, wie erstaunt in der Luft schweben bleibt - und eine Sinnesfülle entwickelt, die derjenigen der Bamberger Zauberharfe gleicht. Das Publikum bleibt selig zurück wie die Götter nach dem Genuss von Freias goldenen Äpfeln.

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