Santiano: Mit großem Besteck unterwegs

Lieder von Freiheit, Freundschaft, Trauer und Trinkfreude umreißen thematisch das Werk der Shanty-Rocker von Santiano. Corona hat die Tour der Band aus Schleswig-Holstein immer wieder ausgebremst, am 25. April spielt sie nun aber endlich in der Münchner Olympiahalle, sagt der Santiano-Sänger und -Percussionist Axel Stosberg im Interview am Telefon.
AZ: Herr Stosberg, in welchem Zustand befindet sich das stolze Schiff Santiano nach zwei Jahren der Pandemie?
Axel Stosberg: Es ist voll restauriert und frisch angestrichen, es strahlt in neuem Glanz und wartet darauf, zu Wasser gelassen zu werden. Wir scharren mit den Hufen. Unser letztes Konzert war im September 2019, das muss man sich mal vorstellen. Dann wollten wir uns auf die MTV-Unplugged-Tour vorbereiten, aber da hat uns die Pandemie schon einen Strich durch die Rechnung gemacht. Wir haben jetzt zweieinhalb Jahre lang kein Konzert gegeben, das ist schon ziemlich nervig.
"Wenn die Kälte kommt": Düsteres Album
Als wir uns zuletzt unterhalten haben, am 12. Februar 2020, da war das Unplugged-Album gerade erschienen, das Sie mit vielen Gaststars in Lübeck aufgenommen haben. Dann kam Corona, und noch während der Pandemie kam schon das nächste Studioalbum, "Wenn die Kälte kommt". Welches Konzert sehen wir denn am 25. April in der Münchner Olympiahalle?
Wir haben die Unplugged-Tour nicht mehr verschoben, sondern abgesagt, das hatte keinen Sinn mehr. Wir gehen also mit "Wenn die Kälte kommt" auf Tournee. Das Unplugged-Projekt kann man ja immer noch machen. Das ist ja ein Best-of im Orchesterkleid.
"Wenn die Kälte kommt" ist ein sehr düsteres Album geworden, oder?
Ich glaube, wir sind die erste Band bei Universal seit den 80er Jahren, die ein Konzeptalbum gemacht hat. Es geht ja um die Amundsen-Geschichte mit der Entdeckung des Nordpols. Wenn man sich damals, vor 100 Jahren, auf den Weg gemacht hat, wusste man nie, ob man wiederkommt. Da hat man sich unter Umständen für immer verabschiedet. Aber so düster habe ich es bei der Arbeit gar nicht empfunden.
Sie haben mit Santiano den TikTok-Hit "Wellerman" mit Nathan Evans aufgenommen. Wie kam es zu dieser Zusammenarbeit, die so natürlich wirkt?
Wir haben begeistert verfolgt, wie ein Shanty bei TikTok weltweit viral geht. Da haben wir uns angeschaut und gesagt: Wer, wenn nicht wir? Der Shanty steht ja praktisch in unserer Arbeitsbeschreibung. Also haben wir übers Management bei Nathan Evans nachgefragt, ob er nicht Lust hat, das Ding mit uns zu machen. Wir haben das Lied dann einmal alleine als Santiano aufgenommen und einmal gemeinsam mit Nathan Evans. Wenn es klappt, könnte es sein, dass wir ihn auf Tour das eine oder andere Mal auf der Bühne haben.
Ein anderes Lied, das immer wieder in den Sozialen Medien auftaucht, ist das Trauerlied "Die letzte Fahrt". Ist es gerade eine gute Zeit für Pathos?
Als wir das Lied 2015 rausgebracht haben, wurde bald klar, dass es auf vielen Beerdigungen gespielt wird. Es gibt bei TikTok manchmal Phänomene, die man nicht erklären kann. Ich glaube, was die Welt gerade am wenigsten braucht, ist Pathos. Was wir brauchen, ist eine Rückbesinnung auf sich selbst. Der eine oder andere bräuchte mal Zeit, sich über einige Dinge klar zu werden und nicht mit geschwellter Brust mit alten Männerbildern durch die Gegend zu laufen.
Santiano-Motive: Freiheit, Fernweh, Zusammenhalt
Die klassischen Santiano-Motive sind Freiheit, Fernweh und Zusammenhalt - alte Seefahrer-Romantik. Jetzt fehlt nur noch ein Friedenslied. Kommt da noch was?
Wir haben in Flensburg an zwei Freitagen Friedensgebete mit dem Lied "Du machst mir Mut" veranstaltet. Das haben wir ins Ukrainische übersetzen lassen und als Lyrikvideo veröffentlicht. Also, auf diesem Feld haben wir uns schon breitgemacht. Wir Weltumsegler machen uns stark für Frieden auf der Welt. Man kann ja sonst nicht viel machen. Man kann demonstrieren, man kann Konzerte geben und zum Spenden aufrufen. Manchmal sitzt man auf dem Sofa und kommt sich so klein vor. Aber wenn man es dann draußen mit so vielen macht, macht es tatsächlich Mut. Das hatten wir an diesen zwei Freitagen vor. Das tat schon ziemlich gut.
In welchem Moment bei einem Konzert merken Sie: Dieser Abend wird gut?
Gute Frage. Man ist ja schon fast aus der Übung nach zweieinhalb Jahren. Man merkt es als Musiker ziemlich schnell, ob der Funke überspringt oder nicht. Ich glaube, dass es bei dieser Tournee gar nicht viel braucht, weil wir uns zweieinhalb Jahre lang nicht sehen durften. Und ich glaube, dass wir vom ersten Moment ein Riesending abfeiern werden. Da müssen wir, glaube ich, keine Angst haben. In der Regel holen wir die Leute in den ersten zwei, drei Liedern aus den Sitzen.
Santiano ist bekannt für die aufwendigen Bühnenbauten. Wie sieht es diesmal aus?
Wir sind mit großem Besteck unterwegs. Ich habe mal gesagt: Sollten wir mal wieder auf Tournee kommen, dann will ich mit einer Monstershow wieder starten!
Santiano spielen am 25. April, 20 Uhr, in der Olympiahalle, Karten unter Telefon 089 / 54 81 81 81, muenchenticket.de