Roots-Musik aus den USA: Was Wurzeln wert sind

Country, Folk, Bluegrass und neu erfundener Retro-Sound: Neue Roots-Musik aus den USA.
Dominik Petzold |
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Riddy Arman war früher Farmarbeiterin.
Riddy Arman war früher Farmarbeiterin. © Mike Vanata

Die Szene der Roots-Musik in den USA ist riesig, ständig erscheinen hörenswerte Platten, und da kann es Künstlern kaum schaden, schon mit ihrem Namen für Aufmerksamkeit zu sorgen. In dieser Hinsicht hat der Sänger und Gitarrist Pokey La Farge sicher alles richtig gemacht. Sein bürgerlicher Name Drew Heissler würde sich wohl weniger einprägen, also hat er sich den Nachnamen bei Folksänger Peter La Farge geliehen. Den Vornamen, auf deutsch Trödler, hat ihm seine Mutter schon als Kind verpasst.

Entspannt und raffiniert

Der heutige Roots-Sound des Enddreißigers strahlt etwas sehr Entspanntes aus. Vor allem aber ist er raffiniert. Auf "In The Blossom Of Their Shade" (bei New West Records/Pias/Rough Trade) bewegt er sich zwischen verschiedenen Retro-Stilen, spielt R&B der Fünfziger Jahre, singt gediegene Balladen im schummrigen Sound und lässt Vibraphone und Gitarren im Hawaii-Stil erklingen. Das lullt so selig-sentimental ein, dass man leicht überhört, wie viel zeitgenössische Einflüsse in Songs wie "Fine To Me" stecken. So beschwört Pokey LaFarge letztlich den Uralt-Sound einer Zeit, die es nie gegeben hat.

Ganz ähnlich ist es bei Billy Strings, dessen Künstlernamen schon verrät, was auf "Renewal" (bei Rounder Records/Concord/Universal) Sache ist. Der Gitarrist und Sänger spielt mit einem halben Dutzend anderer Saiteninstrumentalisten traditionellen Bluegrass, mit dem er in den USA erfolgreich wurde. Der klingt bei aller Virtuosität wenig aufregend, doch hin und wieder lässt auch er - wie Pokey LaFarge - die musikalische Moderne zu ihrem Recht kommen. Dann spielen die Musiker mit ihren akustischen Bluegrass-Instrumenten und ohne Schlagzeug Stücke, die von der Harmonik her reine Hard Rock-Songs sind - Billy Strings hat als Jugendlicher Heavy Metal gespielt. Und die Fusion funktioniert bestens: "Hide And Seek" und "Fire Line" ragen aus dem Album deutlich heraus - neben einigen Balladen, in erster Linie dem wunderschönen "In The Morning Light".

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Hayes Carll: Schlaue, unverschwurbelte und oft witzige Songs

Balladen sind auch eine Stärke des gefeierten US-Songwriters Hayes Carll, bei dem man insbesondere auf die Texte hören sollte. Sein neues Album "You Get It All" (bei Dualtone Records/MNRK/Bertus) beginnt im Eröffnungssong "Nice Things" gleich mit einem Goldstück: "God came down to earth, to enjoy what she'd created". Gott kam also auf die Erde herab, um ihre Schöpfung zu genießen, doch - Fraugott Sakrament! Sofort muss sie erleben, welche Früchtchen hier die Herrschaft übernommen haben. Gleich der erste Mann, dem sie begegnet, bietet ihr einen Joint an, erweist sich als Zivilpolizist und nimmt sie fest.

Hayes Carll hat mit seinen wechselnden Schreibpartnern schlaue, unverschwurbelte und oft witzige Songs geschrieben, zum Beispiel das lässige Titelstück "You Get It All". Darin zählt Carll auf, was seine neue Freundin so von ihm zu erwarten habe, von seinen besten bis zu seinen nervigsten Seiten, sie bekomme "all my joy and my regrets, all my old Guy Clark cassettes", wie er eloquent reimt. Und an Songmeister Guy Clark, seinen texanischen Landsmann, erinnert bei Hayes Carll ohnehin vieles: Sein entspannter Country-Sound ist auch für Rockfans hörenswert, und er hat ebenfalls berührende Balladen wie "If It Was Up To Me" im Programm.

Riddy Arman mit ihrem Debüt

Auf ganz andere Art berührt das Debüt von Riddy Arman, das schlicht wie die junge US-Songwriterin heißt (bei La Honda Records/Thirty Tigers/Membran). Sie hat sich als wandernde Farmarbeiterin verdingt, und Lieder wie der "Herding Song" spiegeln das karge Leben auf den Ranches.

Ebenso karg ist, was sich in der Seele der Erzählerin abspielt: In "Problems Of My Own" sagt sie sich von der trinkenden Mutter los. Im autobiographischen "Half A Heart Keychain" findet sie bei ihrem Freund eine Hälfte eines Schlüsselanhängers in Herzform. Da bleibt ihr nur großherzig zu wünschen, dass er die Frau, die gerade im Besitz der anderen Hälfte ist, nicht so kalt abserviert wie sie.

Armans Vater halluzinierte Johnny Cash herbei

Ihre Wirkung entfalten diese dunklen Songs zwischen Country und Folk durch Armans charismatische, tiefe, kehlige Stimme und den kargen, gespenstischen Sound, den sie mit ihren wenigen Mitstreitern erzeugt, am gespenstischsten in dem Trinkerlied "Both Of My Hands".

Erinnerungswürdig ist auch das autobiographische "Spirits, Angels Or Lies": Riddy Armans Vater hatte im Jahr 2003, vier Wochen vor seinem Tod, eines Nachts Johnny Cash herbeihalluziniert. Der fragte den Todkranken, ob er mit ihm auf eine Reise gehen wolle. Am nächsten Morgen erzählte der Vater Frau und Tochter davon - und die erfuhren kurz darauf in den Nachrichten, dass Johnny Cash in der Nacht gestorben ist. Was soll man sich aus so einer Geschichte zusammenreimen? In jedem Fall war es eine gute Idee von Riddy Arman, Sängerin zu werden und einen Song daraus zu machen.

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