Ritchie Blackmore: Wo die Liebe hinfällt
Sein "Smoke on the Water“ ist – neben "Satisfaction“ – das bekannteste Gitarrenriff aller Zeiten: Ritchie Blackmore wurde mit Deep Purple zur Legende, prägte als Gitarrist das Hardrock-Genre maßgeblich und hatte auch mit der Band Rainbow Erfolg. 1997 wandte er sich der Musik des Mittelalters zu. Mit seiner Frau, der früheren Deep Purple-Backgroundsängerin Candice Night, gründete er die Band "Blackmore’s Night“. Sie feiert jetzt zwanzigjähriges Jubiläum – und spielt am Donnerstag im Brunnenhof der Residenz.
AZ: Frau Night, Herr Blackmore, es heißt, Sie hätten ein besonderes Verhältnis zu Deutschland.
CANDICE NIGHT: Ritchie kommt gern wegen des Essens. Seine Lieblingsgerichte sind Frikadellen, Hühnerfrikasse, Brathering und Kohlrouladen.
Wieso sind Sie mit dem deutschen Essen so vertraut?
RITCHIE BLACKMORE: Weil ich so oft hier war, zum ersten Mal 1963. Ich spielte mit Jerry Lee Lewis und Gene Vincent im Star-Club. Seither liebe ich das Essen und die Architektur.
Wie war’s mit Jerry Lee Lewis?
BLACKMORE: Beängstigend. Mir wurde im Vorfeld gesagt: Wenn er Dich nicht mag, schlägt er Dich. Wir hätten eine Woche proben sollen, aber er tauchte erst am letzten Tag auf. Er sagte nicht Hallo, ging nur zum Piano, warf C-Dur in den Raum und begann zu spielen. Zum Glück war unser Bassist ein großer Fan von ihm und kannte die Stücke, an ihn habe ich mich gehalten. Aber dann kam Jerry Lee zu mir, und sagte mit verschränkten Armen: Spiel das Solo! Ich habe es in der Erwartung gespielt, geschlagen zu werden.
Und?
BLACKMORE: Er hat’s wohl gemocht. Wir haben Hände geschüttelt, ich dabei mit der Linken weitergespielt, sogenannte Trills, die man mit zwei Fingern spielen kann. Seither war ich sein bester Freund. Er hat mich die ganze Zeit Johnny Cash genannt. Er meinte, das sei sein bester Freund in Amerika, und ich sähe aus wie er.
Haben Sie auch mit Blackmore’s Night ein besonderes Verhältnis zu Deutschland?
NIGHT: Deutschland ist das einzige Land, in das wir jedes Jahr kommen. Wir spielen ja eine Vielzahl von Stilen: Rock, Instrumentals, Pop, Balladen. Aber wenn wir die Renaissance- und Mittelalter-Stücke aus dem 12. bis 15. Jahrhundert in den deutschen Burgen dieser Jahrhunderte spielen, dann ist es, als ob wir diese Lieder zurück nach Hause bringen.
BLACKMORE: Die Leute hier verstehen unsere Musik. Das liegt an der Geschichte. Sie haben es im Blut. Ich komme gern nach Deutschland, ich mag auch den Jetlag, man fühlt sich so spacey. Wir wohnen hier oft in Burgen von Freunden, da sind wir lieber als in Holiday Inns.
Sie spielen auch oft in Burgen. Ist es schwer, die Tourveranstalter dazu zu überreden?
BLACKMORE: Ja, es ist viel mehr Arbeit. Sie müssen jemanden anrufen, den sie gar nicht kennen. Und es ist ziemlich kompliziert, das Equipment in die Burgen und wieder raus zu bringen, denn die meisten sind nun mal auf Anhöhen. Aber wenn es funktioniert, ist es einfach fantastisch. Leider sind manche Burgbesitzer etwas mürrisch und wenig begeistert, wenn Sie erst sehen, wie viel Equipment wir mitbringen.
Sie könnten in Hallen viel mehr Geld verdienen.
BLACKMORE: Bei Blackmore’s Night geht es mir nicht ums Geldverdienen. Wir wollen auf Tour nur bei Null rauskommen. Wir zahlen lieber die Ausgaben einer Tour als ans Finanzamt. Und wir können an tollen Orten spielen. Wenn ich Rock’n’Roll mache, spielen wir immer an den selben langweiligen gigantischen Orten, die alle gleich aussehen.
Wie waren die Reaktionen in der Branche, als Sie mit der Renaissance-Musik anfingen?
BLACKMORE: Die dachten, ich sei völlig verrückt, und sagten, dass ich damit kein Geld verdienen werde. Ich musste ihnen erklären, dass es nicht immer ums Geld geht. Sogar mein Vater befürchtete, dass ich meine Fans verliere, wenn ich mittelalterliche Musik spiele. Aber ich bin 35 Jahre in Limousinen rumgefahren, habe in großen Hallen gespielt und Geld verdient. Ich liebe Rockmusik, aber es hat mich etwas gelangweilt, die gleiche Musik wie alle anderen zu spielen. Ich muss spielen, worauf ich hundertprozentig Lust habe. Ich hätte gar nicht gedacht, dass ich diesen Stil spielen kann.
Ihre Renaissance-Musik ist nicht puristisch.
BLACKMORE: Wir nehmen die Melodien, halten uns aber nicht an die originalen Klänge. Wir spielen nicht auf Krummhörnern – oder nur selten. Wir spielen eine Crossover-Musik, damit Menschen die Melodien kennenlernen.
Sie spielen dabei viele Licks und Arpeggios zu Candice Nights Gesang. Wie funktioniert das zusammen?
BLACKMORE: Ich versuche einfach, Candice so wenig wie möglich in die Quere zu kommen – wie zu Hause.
NIGHT: Ritchie ist sehr sensibel gegenüber anderen Instrumenten. Ich habe gesehen, wie er im Studio brilliante Soli spielte, sie sich anhörte und sagte: Lösch es, hier ist keine Gitarre nötig. Ich kenne keinen anderen Gitarristen, der mit so wenig Ego an die Sache rangeht.
BLACKMORE: Die Melodie und der Gesang sind am wichtigsten, und die Emotionen, die ein Song auslöst – nicht das Gitarrensolo. Ich habe in den frühen Jahren bei Deep Purple viele Soli gespielt. Aber nach all den Jahren denkt man ans Ganze.
Interessieren Sie sich noch für andere Gitarristen?
BLACKMORE: Ja, ich höre mir Gitarristen an, die klassische Musik spielen oder Renaissance-Musik. Ich höre mir auch auf Youtube viele Gruppen an, die Renaissance-Musik spielen. Viele davon sind deutsche Bands, zum Beispiel Geyers.
Gibt es noch Rockgitarristen, die Sie faszinieren?
BLACKMORE: Die Leute, die mich am Anfang beeinflussten: Chet Atkins, Les Paul, Scotty Moore, Cliff Gallup, Big Jim Sullivan. Das war mein Gitarrenlehrer, er hat in Engand alle begleitet, von Tom Jones bis Engelbert Humperdinck. Albert Lee ist ein unglaublicher Gitarrist. Ich habe ihn mit 17 zum ersten Mal in einem Club gehört. Ich dachte, wenn alle so spielen, werfe ich das Handtuch. Aber zum Glück war er der einzige, der so gut war – und ich habe weiter gespielt. Wenn ich einen guten Gitarristen höre, werde ich eifersüchtig, wenn ich einen schlechten höre, langweilt mich das. Da höre ich mir lieber Cellisten an.
Trotzdem: Welches Ihrer Riffs mögen Sie am liebsten?
BLACKMORE: "Smoke on the Water“ war so erfolgreich, weil es so simpel war. Genau das wollte ich erreichen. Mein Spiel war damals viel komplexer. Aber ich habe mir im Radio die Kinks oder die Rolling Stones angehört und dachte: Ich muss auch etwas so Einfaches, Repetitives schreiben. Es hat funktioniert. "Smoke on the Water“ bezahlt die Rechnungen und das Finanzamt. Ich war in Gitarrenläden, in denen an der Wand steht: Bitte nicht "Smoke on the Water“ spielen – sie hören es einfach zu oft.
Donnerstag, 19 Uhr, Brunnenhof der Residenz, Karten ab 52 Euro unter 089 54 81 81 81
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