Kritik

Riccardo Muti korrigiert Richard Strauss: "Kein Strand in Sorrent"

Der Neapolitaner mit Werken von Haydn, Schubert und Strauss in der Isarphilharmonie
von  Marco Frei
Riccardo Muti bei einer Probe mit dem Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks.
Riccardo Muti bei einer Probe mit dem Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks. © Severin Vogl

München - Er ist ein Phänomen. Sein stilistisches Profil mag aus heutiger Sicht in Teilen überholt wirken, aber: Wenn Riccardo Muti dirigiert, ist das Ergebnis bis ins letzte Detail konsequent durchgeführt. Der 82-jährige Neapolitaner ist ein Meister der klanglichen Architektur und Dramaturgie, schlicht stupend sein Gespür für Chor und Gesang. Dieses Profil war nun auch in der Isarphilharmonie hörbar.

Das Konzert in der Isarphilharmonie.
Das Konzert in der Isarphilharmonie. © Severin Vogl

Dort gestaltete Muti mit dem Chor und Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks das "Te Deum" von Joseph Haydn und die Messe Nr. 2 D 167 von Franz Schubert. Man mag darüber streiten, ob die Isarphilharmonie der geeignete Saal für diese Werke ist. Immerhin schreiben sie jeweils eine Orgel vor, und die gibt es bekanntlich in diesem Interim nicht. Der elektronische Ersatz war jedenfalls kaum zu hören.

Gemeinsames Atmen

Dafür aber kreierte Muti zwischen Chor und Orchester ein vollendetes, gemeinsames Atmen: mit fließenden Tempi und deutlich schlanker als erwartet. Die Frage nach einer stilgerechten Interpretation war genauso obsolet wie manche undefinierbare Störgeräusche im Saal.

Riccardo Muti.
Riccardo Muti. © Severin Vogl

Auch das Muti-Klischee eines Taktstock-Autokraten muss korrigiert werden. Beim BR gerierte er sich durchwegs als Mitmusiker. In Schuberts Messe Nr. 2 setzte von den Solisten vor allem Tenor Julian Prégardien hellhörige Akzente. Dagegen trugen Sopranistin Siobhan Stagg und Bassbariton Vito Priante bisweilen etwas dick auf. Nach der Pause die frühe sinfonische Fantasie "Aus Italien" von Richard Strauss. Mit minimalem Bewegungsaufwand entfachte Muti größte Wirkungen im Orchester: geradezu perfekt die dynamische Balance, glasklar die Intonation und klangfarbliche Transparenz.

Eine Richtigstellung

Als Cello-Stimmführerin half die wunderbare Bridget MacRae vom Münchener Kammerorchester aus. Eine schiere Offenbarung das große Oboen-Solo von Stefan Schilli im dritten Satze "Am Strande von Sorrent": Mit weitgespanntem Phrasierungsbogen und nuancenreicher Farbgebung erwuchs schönste Klangpoesie.

Langer Beifall für Muti, auch aus dem Orchester. Als Zugabe erfolgte eine Richtigstellung zum dritten Satz der Tondichtung: "Es gibt keinen Strand in Sorrent!", rief Muti auf Englisch - großes Gelächter.

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