"Revolver"-Artwork der Beatles: Genial bis in die Haarspitzen
Von allen Wunderwerken der Beatles ist "Revolver" das größte: Die Platte sprengte 1966 die Grenzen der Popmusik. Das ikonische, mit dem Grammy prämierte Cover schuf Klaus Voormann, mit dem die Beatles seit ihren Hamburger Zeiten befreundet waren.
Nun erscheint "Revolver" neu gemischt und mit vielen alternativen Aufnahmen, und das Super Deluxe Boxset enthält ein Hardcover-Buch mit Auszügen aus der tollen Graphic Novel, in der Klaus Voormann von der Entstehung des Covers erzählt. Die gesamte Graphic Novel war bereits 2016 Kernstück des Buchs "Birth of an icon: Revolver 50" und wird jetzt als eigenständiges Buch mit dem Titel "Iconic" veröffentlicht.
AZ: Herr Voormann, wie war das, als John Lennon 1966 bei Ihnen anrief und fragte, ob Sie eine Idee für das Cover des nächsten Beatles-Albums haben?
KLAUS VOORMANN: Ich war überrascht und habe mich riesig gefreut, dachte aber auch: Oh Gott, was für eine Aufgabe! John hat auch gleich gesagt: Komm ins Studio und höre Dir die Tracks an. Und das machte die Sache noch komplizierter, weil die Musik so erstaunlich weit in die Zukunft reichte.
Voormann hatte für das Cover nur eine Woche Zeit
Erkannten Sie sofort, wie revolutionär diese Platte war?
Das war mir klar, als ich die Musik gehört habe. Der Hauptauslöser war natürlich "Tomorrow Never Knows" mit diesen ganzen Rückwärts-Cymbals, mit den rückwärts gespielten Gitarrensoli und dem Vögelflattern. Da dachte ich: Meine Güte, damit sollen die Fans klarkommen, die die ersten Stücke gut fanden! Später fand ich heraus, dass Leute wie Manager Brian Epstein die gleichen Gedanken hatten und sich fragten, ob das vom Publikum nicht etwas viel verlangt ist. Die Beatles waren ja eine Popgruppe und das hier ging in eine andere Richtung. Aber keiner hat mich darauf angesprochen – sie haben mir nur die Songs vorgespielt.
Und daraufhin haben Sie für das Cover ein Kunstwerk gestaltet, was zu der Zeit ebenfalls völlig unüblich war.
Genau. Das Tolle war, dass das vier schlaue Burschen waren. Als ich sagte, dass ich das Cover gern schwarz-weiß gestalten möchte, fanden sie das toll. Sie haben sofort verstanden, wieso ich das machen wollte – in einer Zeit, als alle anderen bunte Sachen gemacht haben.
Wie lange hat es gedauert, bis Sie die Idee zu dem Bild hatten?
Ich musste abliefern, hatte höchstens eine Woche. Aber es ging ganz easy. Ich habe auf einem großen DIN A2-Bogen meine Ideen aufgekritzelt, und das Bild, von dem ich dachte, dass es ihnen am besten gefallen wird – das mit den vielen Haaren und kleinen Figuren –, habe ich ein bisschen größer ausgeführt. Damit bin ich dann in die EMI-Kantine und habe es ihnen vorgestellt.
So hat sich Voormann beim Cover inspirieren lassen
Was für Bilder waren auf dem Bogen ansonsten zu sehen?
Auf einem Bild war ein Heißluftballon, in dessen Korb die vier saßen. Auf einem anderen war ein Boot, über dessen Kante sie hängen. An die anderen Ideen kann ich mich nicht mehr erinnern. Aber die Idee mit den Haaren fanden sie gut. Das war damals ja sensationell mit den langen Haaren – die dachten alle, wir sind verrückt.
Wie haben Sie dann ihre Idee umgesetzt?
Ich habe mich bei den vier Porträts nicht an Fotos orientiert, sondern aus meinem Gedächtnis gezeichnet: John mit seinen Mandelaugen, Pauls typisches Profil mit den hohen Augenbrauen. Ringo habe ich aus der Froschperspektive gezeichnet, damit man nicht sieht, dass er eine große Nase hat. Aber mit George hatte ich ein Riesenproblem. Er war unheimlich gutaussehend, hatte aber keine typischen Features, deswegen habe ich mich fürchterlich rumgequält – bis ich aus einer Zeitung seine Augen und seinen Mund ausgeschnitten und auf das Bild gepappt habe. Das fand ich dann gut.
Als Sie den Beatles das Ergebnis vorgestellt haben, herrschte erstmal lange Stille, wie man in ihrer Graphic Novel lesen kann.
Das war nicht schön. Ich war sowieso sehr nervös. Da standen also sieben Meter entfernt von meiner Grafik Dick James von Northern Songs, der Chef der EMI, George Martin und noch ein paar andere und hielten sich am Kinn. Ich dachte, die sagen gleich: Ne, Voormann, das kannst Du nicht machen. Bis Paul endlich nach langer Zeit nach vorne ging, auf ein Foto zeigte, auf dem er auf dem Klo sitzt, und sagte: Klaus, das hast Du drauf gemacht? Ist ja klasse!
"Ich wollte ja auch gar nicht Grafik, sondern nur Musik machen"
Auf dem fertigen Cover ist davon aber nichts zu sehen.
George Martin sagte gleich: Das kannst Du doch nicht machen! Aber dann kamen sie eben allmählich alle nach vorn, haben die ganzen anderen Gesichter und Schnipsel gesehen und waren ganz begeistert.
Die Beatles waren Ihre Freunde aus Hamburger Zeiten, aber in der Zwischenzeit waren sie die berühmtesten Menschen der Welt geworden. Sind sie für Sie einfach Kumpels geblieben oder war ihr Ruhm auch einschüchternd?
Als ich zum Beispiel zur Zeit von "A Hard Day's Night" nach London kam, habe ich mich gefragt: Wie werden die mich jetzt wohl empfangen? Aber das war dann immer so herzlich. George ist sofort auf mich zugestürzt, hat mich umarmt und mir begeistert all die Gretsch-Gitarren gezeigt, die er von der Firma geschenkt bekommen hat. Da ist sofort das Eis gebrochen. Man denkt dann gar nicht mehr daran, dass sie so berühmt sind. Berühmte Menschen wollen ja auch gar nicht, dass man sie behandelt, als ob sie auf einem Sockel stehen.
Als Sie das Cover gemacht haben, waren Sie gerade als Bassist bei Manfred Mann eingestiegen. War es schwierig, beides unter einen Hut zu bekommen?
Während ich die Entwürfe gemacht habe, habe ich schon mit der Band geprobt, aber manchmal musste ich halt sagen: Tut mir leid, jetzt kann ich nicht. Aber wir waren noch nicht auf Tour, da musste nichts verschoben werden.
Aber nach "Revolver" mussten Sie wegen der Band sicher viele Grafik-Angebote ablehnen.
Das denken immer alle! Aber das war gar nicht der Fall. Nur Robert Stigwood, der die Bee Gees unter Vertrag genommen hatte, hat mir deren Material vorgespielt und ich dachte: Das ist ja nicht schlecht. Da habe ich dann das Cover von "Bee Gees 1st" und "Idea" gemacht. Als ich dann bei Manfred Mann war, dachten wahrscheinlich viele, dass sie mich nicht mehr bezahlen können. Aber ich wollte ja auch gar nicht Grafik, sondern nur Musik machen. "Revolver" war für mich auch eine Anstrengung, weil ich so lange keine Grafik gemacht habe, weil ich lange keine Feder und keinen Stift in Händen gehabt hatte.
Wo das Original der "Revolver"-Artwork ist, ist bis heute unklar
Sie waren damals in der britischen Rockszene der einzige Deutsche. Der Krieg war gerade mal zwanzig Jahre her. Haben Sie das mal zu spüren bekommen?
Überhaupt nicht. Höchstens John ließ ab und zu einen kleinen Scherz los. Aber ich bin ja nicht rübergegangen, um Deutschland zu vertreten, sondern wollte zu den Engländern gehören. Vor allem die Leute aus Liverpool fand ich toll. Die Mentalität der Engländer kann man mit der deutschen gar nicht vergleichen. Die sind offen, können über sich selbst Witze machen. Es ist inzwischen besser geworden, aber damals war in Deutschland alles sehr verkrampft, da musste ich weg. Gerade weil ich in Hamburg so stark zu spüren bekommen habe, dass diese Typen völlig anders ticken als Deutsche.
Haben Sie das vermisst, als sie nach ihren Jahren in England und den USA 1979 zurück nach Deutschland gekommen sind?
Das vermisse ich heute noch! Aber die Zeit, die ich im Ausland verbracht habe, hat mir unheimlich geholfen. Ich war zwanzig Jahre weg und hatte wunderschöne Erlebnisse.
Das Original Ihrer "Revolver"-Artwork ist verschollen. Wissen Sie irgendetwas vom Verbleib?
Nein. Wann und ob die grafische Arbeit von der Druckerei zur EMI zurückgeschickt wurde, ob sie jemand in den Papierkorb geschmissen oder mit nach Hause genommen hat – keine Ahnung.
Aber zwischenzeitlich hieß es mal, dass Joe Walsh von den Eagles Ihr Original besitzt.
Er hatte in einem Laden in Los Angeles ein Bild gesehen, auf dem nur meine Illustration zu sehen war, ohne das Logo. Da meinte er, das muss wohl das Original sein. War es aber nicht – sondern nur ein Foto davon. Joe und ich haben später darüber geflachst. Er weiß selbst, dass er es zu einer Zeit gekauft hat, in der er etwas daneben war.
Die handsignierte, auf tausend Stück limitierte Graphic Novel "Iconic" erscheint Mitte November und kann vorbestellt werden unter voormann.com. Die AZ verlost drei Exemplare! Schreiben Sie bitte bis Montag an kultur@abendzeitung.de, Stichwort: Revolver.
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