Restauratives Dur, geheimnisvolles Moll mit Chilly Gonzales

Der Kanadier Chilly Gonzales spielt im Prinzregententheater ein Klavierkonzert als unterhaltsam-witzige musikalische Lehrstunde
Claus Lochbihler |
X
Sie haben den Artikel der Merkliste hinzugefügt.
zur Merkliste
Merken
0  Kommentare
lädt ... nicht eingeloggt
Teilen  AZ bei Google News

Einen Musiklehrer wie Chilly Gonzales hätte man haben müssen. Er hätte zwar keinen seidenen Morgenmantel und Pantoffeln tragen müssen wie der kanadische Pianist und Rapper, der in seinem Outfit wie eine Mischung aus armer Poet und Renaissance-Dandy rüberkommt. Aber nur ein kleines Bisschen vom großen Erklär-Witz des Chilly Gonzales hätte stark geholfen.

Was der Kanadier im rappelvollen Prinzregententheater – dem Auftakt seiner Deutschlandtournee – über zwei Stunden präsentiert, ist weniger Klavierkonzert als Musik-Comedy: pointenreich, sehr unterhaltsam und dabei mit pädagogischem Anspruch. Musikalische VHS für Hipster-München. Chilly Gonzales erklärt zwinkernd Musik, indem er die Leute zum Lachen bringt.

Der Unterschied zwischen Dur und Moll etwa: Dur klinge nach falschem Optimismus, nach Königtum und höfischer Pracht, erklärt Gonzales. Reines Dur sei restaurativ, konservativ, ja politisch rechts. Dann klimpert er eine kurze Melodie in aggressivstem Dur auf dem Flügel. Wer so was spiele, meine eigentlich: „Ich will weniger Einwanderung“.

Dann führt er den Moll-Effekt vor: In Moll klinge alles besser, spannender, rätselhafter. Als Pointe transponiert er „Happy Birthday“ in ein traurig-komisches Moll. Das klinge doch viel besser, nämlich nach: „Und wieder ist ein Lebensjahr verstrichen...“

In der Mitte der zweistündigen Klavier-Entertainment-Show gibt Gonzales den Klavierlehrer. Er bittet einen vom rechten Weg des Klavierspielens abgekommenen Ex-Klavierspieler auf die Bühne: Ein paar wenige Hände gehen nach oben, dann kommt ein blonder Mann im Tribute-To-Chilly Gonzales-Outfit – seidener Luxus-Morgenmantel! – auf die Bühne, wird aber wieder zurück geschickt: „You look too much like me!“

Schließlich kommt Ute an den Flügel. Ute darf sich drei Töne aussuchen. Sie wählt drei aus, die hoffnungsvoll nach oben streben. Das kleine Motiv wird wiederholt, dann geht es eine Note nach unten. Gonzales deutet Utes Melodie psychoanalytisch aus, legt eine flotte Begleitung unter ihre Melodie – und fertig ist der Vier-Minuten-Instant-Song. So ähnlich, nur aufwändiger, größer, länger muss man es sich vorstellen, wenn Gonzales Alben von Leslie Feist oder Peaches produziert. Und noch etwas: So manches Klassik- oder Jazz-Konzert könnte sich von Chilly Gonzales eine paar Takte Entertainment abhören. Die Leute wollen, dass ihnen Musik näher gebracht, erklärt, gedeutet wird. Wenn es dann auch nur annähernd so witzig rüberkommt wie bei Chilly Gonzales – umso besser.
 

Lädt
Anmelden oder registrieren

Zum Login
Zu meinen Themen hinzufügen

Hinzufügen
Sie haben bereits von 15 Themen gewählt

Bearbeiten
Sie verfolgen dieses Thema bereits

Entfernen
Um "Meine AZ" nutzen zu können, müssen Sie der Datenspeicherung zustimmen.

Zustimmen
 
0 Kommentare
Bitte beachten Sie, dass die Kommentarfunktion unserer Artikel nur 72 Stunden nach Veröffentlichung zur Verfügung steht.
Noch keine Kommentare vorhanden.
merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.