Randy Newman zum 80. Geburtstag

Der Songwriter und Komponist der Pixar-Filme wird am 28. November 80 Jahre alt
Dominik Petzold
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Der Musiker Randy Newman.
picture alliance/dpa 4 Der Musiker Randy Newman.
Randy Newman mit seinem Oscar für "Toy Story 3" (2011).
picture alliance / dpa 4 Randy Newman mit seinem Oscar für "Toy Story 3" (2011).
Randy Newman hat ein schlechtes Gehör und eine höchstens mittelmäßige Gesangsstimme. Und doch biegt sich sein Kaminsims unter Auszeichnungen.
picture alliance / dpa 4 Randy Newman hat ein schlechtes Gehör und eine höchstens mittelmäßige Gesangsstimme. Und doch biegt sich sein Kaminsims unter Auszeichnungen.
Randy Newman im Lultur und Kongresscenter in Luzern.
picture alliance / dpa 4 Randy Newman im Lultur und Kongresscenter in Luzern.

Er sang aus der Perspektive eines Sklavenhändlers, der Afrikaner zur Überfahrt in die USA überreden will; eines Schaustellers, der einen fetten Jungen auf dem Jahrmarkt präsentiert; des Düsseldorfer Kindermörders Peter Kürten. Und aus der Perspektive von Gott, der die Menschheit verspottet, die ihn treu und brav anbetet, obwohl er ihre Kinder sterben lässt.

Randy Newman kleidete seine Rollenprosa oft in betörend schöne Musik, und viele Songs haben eine Pointe, die unvergesslich bleibt. So gilt er seit einem halben Jahrhundert als einer der originellsten Songwriter - und als einer der allergrößten. In einer zweiten Karriere wurde er auch noch zu einem der erfolgreichsten Filmkomponisten der Hollywood-Geschichte.  Nun  ist  Randy Newman 80 Jahre alt.

Eine erfolgreiche Familie

Seine Zweitkarriere wurde ihm in die Wiege gelegt, als er am 28. November 1943 in Los Angeles zur Welt kam: Er entstammt einer Familie aus Filmkomponisten: Drei Onkel schrieben Scores, die für den Oscar nominiert waren. Alfred Newman, der erfolgreichste der Brüder, war 45 Mal nominiert und gewann neun Mal.

Auch Neffe Randy begann als Auftragsschreiber. In seiner Kindheit in L.A. und New Orleans hatte er begonnen, sich ernsthaft mit Musik zu beschäftigen, sein Musikstudium in L.A. schmiss er kurz vor dem Abschluss, aber seinen Job als Songwriter ging er diszipliniert an, mit festen Arbeitszeiten. Erfolgreich wurden seine Songs zunächst in Großbritannien, wo ab 1965 Cilla Black und Alan Price Hits mit seinen Stücken hatten. Außerdem arbeitete Newman als Session-Pianist für seinen Kindheitsfreund, den Produzenten und A&R-Mann Lenny Waronker.

Ein Mann geht seinen Weg

Der holte Newman 1968 zur Plattenfirma Warner Brothers und co-produzierte seine erste Soloplatte. Mit ihren komplexen Orchester-Arrangements und fast ganz ohne Rhythm Section war sie weitestmöglich vom Rocksound der Zeit entfernt, war näher bei Kunstlied als Pop und verkaufte sich katastrophal. Aber der Song "I Think It's Going To Rain Today" war da schon von Judy Collins und Eric Burdon aufgenommen worden, später sangen ihn noch Nina Simone, Barbra Streisand, Norah Jones und zahllose andere Stars.

 

Auf "12 Songs" versuchte Newman 1970 einen ganz anderen Stil, spielte bluesige Songs mit Ry Cooder und Clarence White. Die Platte war toll, hatte aber ebenso wenig Erfolg wie die erste, doch Three Dog Night machten aus "Mama Told Me Not To Come" einen Riesenhit. Coverversionen wie diese sollten Randy Newman reich machen - respektive seine erste Frau, die sich in den Achtzigern von ihm scheiden ließ und üppig abgefunden wurde: Bei einem Konzert im Prinzregententheater erzählte er mal, dass er den Eingangsbereich ihres riesigen Hauses "Mama Told Me Not To Come"-Hallway nennt.

Einen anderen Trakt der Villa hätte er wohl nach "You Can Leave Your Hat On" benennen können, Joe Cocker sang den Song in den Achtzigern fast eine Oktave höher als der stimmlich limitierte Songwriter und machte ihn zum Hit. Zuerst erschien das Stück 1972 auf "Sail Away", auf dem Newman das Orchestrale des ersten mit dem Bluesigen des zweiten Albums verband. Auf "Good Old Boys" brachte er seinen Stil 1974 zur Perfektion. Da nahm er die Rolle eines rassistischen Rednecks aus den Südstaaten ein und legte diesem mit "Marie" eines der schönsten Liebeslieder aller Zeiten in den Mund.

Mit dem Album erreichte er erstmals ein größeres Publikum, drei Jahre später hatte er mit "Short People" von "Little Criminals" seinen ersten Top-Ten-Hit. Und kaum hörten mehr Menschen hin, passierte das Unvermeidliche: Viele verstanden nicht, dass sich hier nicht Randy Newman, sondern der Erzähler des Songs über Kleinwüchsige lustig machte; das Stück wurde ein kleiner Skandal. Man mag sich nicht vorstellen, durch welche Shitstorms Newman schreiten müsste, wenn er in heutigen Zeiten seine Karriere beginnen würde.

Die versaute Rothaarige

1983 störten sich bei "I Love L.A." von "Trouble In Paradise" noch nicht mal die Marketingprofis von Nike daran, was er da genau sang. Der Song war so toll und schmissig, dass der Sportartikelhersteller ihn bei seiner Kampagne zu den Olympischen Spielen in Los Angeles 1984 einsetzte. Dass da schon in der zweiten Zeile von einer "versauten Rothaarigen" die Rede war, die mit dem Erzähler durch die sonnige Stadt kurvt, störte niemand. Im Gegenteil: Im Werbe-Video saß tatsächlich eine Rothaarige neben Randy Newman im Cabrio.

Danach wurden die Abstände zwischen seinen Alben länger, in den kommenden vierzig Jahren sollten nur noch fünf folgen. Auch weil Newman begonnen hatte, als Filmkomponist zu arbeiten. Bei Milos Formans "Ragtime" konnte er 1981 seine große Kenntnis amerikanischer Musik ausspielen, für den Score und den Filmsong erhielt er seine ersten beiden Oscar-Nominierungen.

Einen Schub erhielt seine Zweitkarriere 1995 mit "Toy Story": Von nun an schrieb er die Filmmusik für die Animations-Blockbuster von Pixar. Ständig erhielt er Oscarnominierungen, stets ging er leer aus, bis er Anfang der Nuller Jahre einen skurrilen Rekord hielt: mit 14 Nominierungen ohne Erfolg. 2002 wurde er dann mit "If I Didn't Have You" für den besten Song ausgezeichnet, Hollywoods gesammelte Prominenz schenkte ihm bei der Oscar-Verleihung Standing Ovations. "Ich will Ihr Mitleid nicht", sagte der womöglich lustigste Mensch der Popgeschichte.

Der "Guardian" fragte anschließend, ob er nun in Rente gehe, aber Newman erklärte, warum das für Künstler nicht infrage kommt: "Zuhause applaudiert niemand, also machen wir weiter." Zuletzt erschien 2017 das Album "Dark Matter" (mit dem Song "Putin"), vor allem aber schrieb er viele weitere Scores und Filmsongs, für "We Belong Together" erhielt er 2011 seinen zweiten Oscar.

Insgesamt wurde er 22 Mal nominiert, zuletzt 2020 für Noah Baumbachs "Marriage Story". So trug der spätberufene Filmkomponist entscheidend zur Bilanz der Newmans bei: Sie sind die Familie mit den meisten Oscar-Nominierungen: mit, Stand heute, 95.

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