Interview

Ralph Siegel über "Zeppelin - Das Musical": "Mein Lebenswerk"

"Zeppelin - Das Musical": Fünf Jahre Arbeit, viel Geld und Nerven hat Ralph Siegel das Projekt im Festspielhaus Neuschwanstein gekostet. Ein Gespräch über Lebens- und Kompositionsfragen.
von  Adrian Prechtel
Am Samstag hebt "Zeppelin" als Premiere in Füssen ab: Komponist Ralph Siegel mit Ensemblemitgliedern nach einer Probe für sein Musical.
Am Samstag hebt "Zeppelin" als Premiere in Füssen ab: Komponist Ralph Siegel mit Ensemblemitgliedern nach einer Probe für sein Musical. © Angelika Warmuth/dpa

AZ-Interview mit Ralph Siegel: Der 76-jährige Münchner ist einer der großen Schlager- und Songschreiber Deutschlands und Musikproduzent. Er schuf Werke unter anderen für Peter Alexander, Rex Gildo, Katja Ebstein, Dschinghis Khan, Udo Jürgens, Nicole, Nana Mouskouri und Filmmusiken.

Einen Nerv hat er sich eingeklemmt, acht Spritzen von Orthopäden in den Rücken bekommen. Die besorgte Nachfrage, was denn die Ärzte vorschlügen, beantwortet Siegel lakonisch mit "Selbstmord" - und erzählt auch gleich, wie er zweimal schon totgesagt war - nicht musikalisch, sondern physisch, als er 2007 Krebs hatte, der dann 2010 zurückgekommen war.
Jetzt ruft er vom Sofa im Studio-Wohnzimmer nach seinen Zigaretten, die seine Frau "absichtlich" verräumt, wie er sagt. Er bekommt eine (!) gebracht. "Gemein! Dabei habe ich eine ganze Stange gekauft." Dann fehlt auch noch das Feuerzeug.

Bis alles da ist, wird der Interviewer noch zum Abendessen eingeladen, was Siegel daran erinnert, dass er eigentlich 30 Kilo abnehmen müsste. Die erste Weißweinflasche ist bereits entkorkt, eine Horde Schoßhunde jagt herein - wird hinausgescheucht, es geht los.

Zeppelin sollte Premiere haben, als das Theater pleite ging

AZ: Herr Siegel, am Samstag ist die Premiere Ihres Musicals "Zeppelin". Es war eine schwere Geburt, weil das ganze ja schon vor genau einem Jahr starten sollte.
RALPH SIEGEL: Aber das große Geheimnis des künstlerischen Erfolges ist Abstand. Das muss man sich natürlich leisten können, aber ich leiste mir das nach 2.000 Songproduktionen. Das Zeppelin-Projekt ist in fünf Jahren entstanden und sollte schon 2018 Premiere haben, als das Theater pleite ging. Ich hatte damals mit Tony Marshall, Wolfgang Fierek und Hannelore Elsner verhandelt. Ich habe also neu angefangen mit meinem "Zeppelin". Und dann habe ich mich vor zweieinhalb Jahren von allen Partnern getrennt, weil ein Lektor nach dem anderen meinte, sich einbringen zu müssen, so dass am Schluss meine Ideen, mein Stück zerfetzt waren, alles kaputt war, was ich aus dem Herzen heraus geschrieben hatte. Ich habe alle ausbezahlt, anstatt zu prozessieren und ganz von vorne angefangen. Mit dem Autor Hans Dieter Schreeb war dann alles letzten Sommer fertig, am 20. November vergangenen Jahres wäre dann Premiere gewesen, dann kam der Lockdown. Produzenten sind abgesprungen. Ich musste selbst einsteigen.

Das klingt nach Risiko.
Ich bin als Unternehmer dreimal so gut wie pleite gewesen, weil es eben für Produzenten, Texter und Komponisten große Krisen gab. Mit der Einführung des Privatfernsehens und der Explosion der Senderzahl waren Quoten von knapp 30 Millionen Zuschauern für immer dahin. Mit Tonträgern macht man keinen Gewinn mehr. Heute werden selbst Autos ohne CD-Player gebaut, man kann für 9 Euro im Monat 10 Millionen Songs streamen… Unser Beruf ist vollkommen enteiert, weil selbst eine Zigarette das Dreifache kostet wie ein Album runterzuladen. Und natürlich war "Zeppelin" sauteuer, ist höchstes Risiko, aber es ist ein Lebensprojekt von mir.

Sie haben schon viele Musicals geschrieben oder produziert.
Ja, vielleicht neun. Ich war mit meinem Pappi in New York, wir sind zum Broadway gegangen, wo auch so jemand wie Barbra Streisand auf der Bühne sang, "Funny Girl", "Hello Dolly" liefen da. Von da an wollte ich immer Musical machen. Ich habe auch ein paar geschrieben, was ja unendlich aufwändig ist, wenn man für zweieinhalb Stunden Musik schreiben muss. Ich habe auch 30 Jahre lang an meinem Musical "Clowns" gearbeitet, neun Readings hatte ich in New York, dann endlich hatte Disney angebissen, aber ich habe herausgefunden, dass die das kaufen wollten und als siebte Produktion vorgesehen hatten. Ich habe mir ausgerechnet, dass die Realisierung also noch 15 Jahre dauern würde - und habe abgesagt. Vielleicht ein Fehler, aber ich war 40 und glaubte, noch alles erreichen zu können.

"Was ein Zeppelin ist, weiß jeder"

Wer kennt heute noch die Geschichte von Graf Zeppelin?
Niemand. Aber was ein Zeppelin ist, weiß jeder. Noch heute ziehen ja welche als Werbeträger übers Oktoberfest, oder in Italien überm Strand mit dem "Goodyear"-Aufdruck. Ich habe dann noch ein Banner mit "I Love You" dranhängen lassen für meine damalige Frau. Und vor 40 Jahren habe ich einen Schlager geschrieben: "Wir mieten uns einen alten Zeppelin und fliegen um die Welt." Dann habe ich vor sechs Jahren einen Dokumentarfilm gesehen und gemerkt: Zeppeline wurden im Ersten Weltkrieg für Spionageflüge und dann sogar zum Bombenabwurf über London eingesetzt, was Graf Zeppelin - obwohl selbst Militär - nicht wollte. Er hatte einen zivilen Luftfahrttraum, inklusive Post. Ich erzähle aber im Musical das Leben von Graf Zeppelin, einem Fantasten und Ingenieursgenie - und schneide das zusammen mit dem letzten Flug der LZ 129 Hindenburg. Davor bin ich in Berlin im berühmten Kabarett der Komiker in der NS-Zeit, und alles endet mit der Katastrophe vom 6. Mai 1937, als beim Landen in den USA die Hindenburg in Flammen aufgeht - ein Bild, das um die Welt ging und bis heute bekannt ist.

Die Hindenburg war ein Luxus-Schiff, unfassbare 245 Meter lang, 72 Passagiere konnten mit, hatten Kalt- und Warmwasser in ihren Kabinen, es gab Salons. Die Überfahrt nach Amerika gelang im Zeppelin in nur drei Tagen. Ein Ticket kostete umgerechnet über 10.000 Euro.
Ich habe lange die Passagierliste und die Totenliste recherchieren müssen. Und habe daraus ein buntes Passagierpanoptikum gemacht - vom Staubsaugervertreter bis zum Millionär und einer Halbjüdin, die in die USA emigrieren will. Und es gibt eine sozialkritische Ebene, weil der junge Graf Zeppelin eine Färberei besucht und von den Verhältnissen schockiert ist, und auf der Hindenburg gibt es ja auch die Crewmitglieder, die manche der reichen Snobs an Bord verachten.

Siegel: Zeppelin kann man monoton in Endlosschleife rappen

Und wie klingt "Zeppelin"?
Versuchen Sie es: "Ze-Ppe-Lin". Das kann man vorne betonen - und hinten betonen, kann man monoton in Endlosschleife rappen oder als absteigende Klangtreppe sprechen. Das nehme ich gleich alles in die Ouvertüre rein.

Kommt bei Ihnen der Text vor der Musik oder ist es umgekehrt?
Meistens steht am Anfang die Idee, eine Szene. Aber natürlich mischt sich das, wie bei meinem Dschinghis-Khan-Song: "Moskau" - Da-Damm, und dann spüre ich dem Klang hinterher und denke mir: "..Tor zur Vergangenheit…" oder "… fremd und geheimnisvoll" und dann kommt Text, Musik, Musik Text - alles läuft ineinander. Ein Beispiel: Man kann auf "Happy Birthday to You" auch "I love you so much" singen. Probieren Sie es aus: Es klingt scheiße, weil Text und Melodie nicht zueinander passen.

Brauchen Sie lange für das Komponieren?
Am Liebesduett gegen Ende von "Zeppelin" habe ich ein Jahr lang geschrieben, um das in Balance zu bringen, auch damit Mann und Frau wirklich gleichberechtigt singen, da bietet sich dann der Kontrapunkt an, ein Stilmittel, das man von Bach gut kennt. Manches ist spontan bei den Proben entstanden. Mit Abstand seit letzten Sommer habe ich dann alles noch von vier auf zwei-dreiviertel Stunden gekürzt. Ich habe in meinem Leben jeden Tag gearbeitet. Jetzt ist "Zeppelin" fertig und ich finde es großartig und kompakt. Und ich bin stolz.


"Zeppelin - Das Musical", ab Samstag, 16. Oktober, Festspielhaus Neuschwanstein, Füssen, Karten von 36 bis 99 Euro, das-festspielhaus.de

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