Rainhard Fendrich in der Olympiahalle: Die alten Hüte passen noch prächtig

Da kann man oben auf der Bühne noch so sehr liebevoll über den "Social Media-Zombie" spotten - im Publikum ein paar Reihen weiter vorn tippt jemand gerade auf dem Bildschirm herum. Soll niemand sagen, die Kunst sei nicht nahe an der Realität.
Und die bricht gerade drastisch über die Welt hinein: Erst macht Corona Auftritte jahrelang unmöglich (dieses Konzert hätte eigentlich schon im Mai 2020 stattfinden sollen, auch der Ausweichtermin im April 2021 fiel aus). Und nun kommt noch der Krieg in der Ukraine hinzu. Wie soll man da einen unterhaltsamen Abend gestalten?
Unterwegs auf der "Strada del Sole" mit Rainhard Fendrich
Rainhard Fendrich hat seit seinen Bühnen-Anfängen in den frühen 80ern mit Evergreens wie "Strada del Sole" so viel komponiert und getextet, dass er für alle Lebenslagen etwas parat hat. Und so spannt sich der Abend in der Olympiahalle musikalisch vom Eröffnungslied "Rock'n'Roll-Band" (vom aktuellen Album "Starkregen") über die frühen Jahre als Musiker und den Grund, warum man überhaupt auf der Bühne steht, bis zum bewegenden "Frieden" (vom Album "Schwarzoderweiss" aus dem Jahr 2016) als Abschluss unter ukrainisch blau-gelbem Scheinwerferlicht.
Über den russischen Kriegstreiber Wladimir Putin sagt Fendrich nach dem wunderbaren "Haben Sie Wien schon bei Nacht geseh'n": "Wir dürfen uns von diesem unberechenbaren Psychopathen nicht verrückt machen lassen."
Den Querdenkern mit ihrem Diktatur-Geschrei muss man eh nur noch hüstelnd "Russland" sagen, um sie zu widerlegen. Schlimm sei aber auch die schweigende Mehrheit, die sich in ihrer geistigen Welt gemütlich eingerichtet hat - Fendrich hat, ebenfalls vom "Stark-regen"-Album, dazu das Lied "Hinter'm Tellerrand" parat.
Zwischen Teenager-Liebe "Frieda" und "Midlife Crisis"
Das Teenager-Liebe-Lied "Frieda" wirkt zunächst etwas seltsam aus dem Mund eines inzwischen doch schon 67-Jährigen, aber Fendrich beseitigt die Kluft der Jahre gleich darauf elegant, unter anderem mit "Midlife Crisis".
"Ein paar alte Hüte hätte ich noch zu verteilen", sagt er ein gutes Stück nach der Pause bescheiden und singt seinen Klassiker "Oben ohne" solo zur Gitarre, die 5500 Menschen in der Olympiahalle geben, so gut es mit Maske eben geht, begeistert den Chor. Es folgen der erste kleine Hit "Zweierbeziehung" und der erste große Hit "Strada del Sole", den man in den 80er Jahren auch im Norden des deutschen Sprachraums mitsingen konnte (obwohl man vielleicht nicht alles verstanden hat).
Die alten Hüte passen noch! Und natürlich die Österreich-Hymne "I am from Austria" und das Lied, dessen Weglassung vermutlich das Ende der Olympiahalle bedeutet hätte: "Weus'd a Herz hast wia a Bergwerk".
Der Abend endet mit dem Friedensgruß in Richtung Ukraine. Besser kann man einen Abend nicht gestalten, während da draußen eine Pandemie und ein Krieg herrschen.