Rafael Payare debütiert mit Brahms und Mozart

Rafael Payare debütiert beim Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks, Piotr Anderszewski spielt im Herkulessaal Mozart
Michael Bastian Weiß |
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Der Dirigent Rafael Payare bei der Probe.
Peter Meisel Der Dirigent Rafael Payare bei der Probe.

Den Dirigierstab sticht er scharf in die Luft, immer mit einem markanten Impuls versehen, die Bewegungen sind groß, auch bei leisen Passagen. Noch hat Rafael Payares Gestik nicht die Eleganz seines Mentors Lorin Maazel, doch er erreicht selbst als Einspringer eine orchestrale Perfektion, die auch dem verstorbenen Maestro gut angestanden hätte.

Der 36jährige Venezolaner, ausgebildet im dortigen „Sistema“-Programm, erkennt die Wichtigkeit einer eindeutigen Zeichengebung. Wichtige Einsätze werden den Orchestersolisten auch in einem Repertoirestück wie Johannes Brahms’ 4. Symphonie lange vorher angezeigt, und auch, wenn die Entwicklung im Herkulessaal schon läuft wie von selbst, greift Payare immer wieder einzelne Gruppen heraus und modelliert so den Gesamtklang des Symphonieorchesters des Bayerischen Rundfunks konstant. Schnelles Figurenwerk, das oft vernuschelt wird, wird etwa im Finalsatz in den Violinen geradezu herausgestanzt.

Die makellose Technik ist freilich nicht Selbstzweck, sondern tragfähige Grundlage für Payares eigenständige und dennoch werkorientierte Realisierung: Das Tempo ist rasch, doch nicht übertrieben, es wird grundsätzlich durchgehalten, sodass alle Sätze in bezwingender Einheitlichkeit erstehen. Payares unübersehbare Leidenschaft tut somit nie der Brahms’schen Konstruktivität Abbruch, erfüllt diese aber, ohne je ins Manische getrieben zu werden, mit glühender Emotionalität. Gerade, weil das Symphonieorchester so gut geführt wird, können sich sämtliche Instrumentalisten voll ausleben.

Werkorientierte Radikalisierung

In der Begleitung zu Wolfgang Amadeus Mozarts Klavierkonzert KV 453 erreichen die BR-Symphoniker eine seltene Durchsichtigkeit, die hier einmal tatsächlich alle Instrumente permanent hörbar hält. Sie stellen für den Solisten weniger eine Kulisse bereit als eine vielfach bewegte Umwelt, mit der Piotr Anderszewski wunderbar interagieren kann.

Der polnische Pianist verfügt nicht nur über einen einzigen Ton, sondern über eine nicht alltägliche Palette zwischen rundem Perlen und knackigem Akzentuieren. Wie wenigen Kollegen dynamisiert er nicht nur die melodischen Passagen, sondern auch das Figurenwerk, gestaltet dieses etwa wellenförmig, antwortet scheinbar spontan in der Begleitung auf Motive im Klavierdiskant, hört auch einmal in den Flügel hinein: so als ob ihm der Steinway selbst anzeigen würde, wie er klingen möchte.

Spektakulär schließlich wirkt die Schonungslosigkeit, mit der Anderszewski im Andante des Konzertes die Musik mehrfach abbrechen lässt, die Pausen nervenstark aushält und somit den Abgrund eines Nichts aufreißt. Da sieht man auch manche BR-Symphoniker fast ungläubig staunen. Besser kann man dieses Stück nicht spielen als Anderszewski und die Symphoniker unter Payare. Nach diesem ungeplanten Debüt freut man sich auf weitere Programme mit diesem hochinteressanten Dirigenten.

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