Punks mit Disziplin: Die Broilers im AZ-Interview

Die Düsseldorfer Oi-Punk-Band Broilers tourte lange mit den Toten Hosen, jetzt füllt sie allein die großen Hallen
von  Volker Isfort

Die Broilers sind mit ihrem neuen Album „Noir“ vor zwei Wochen direkt an der Spitze der Charts eingestiegen. Es ist die erste Nummer-1-Platzierung der Düsseldorfer Punkband.

AZ: Die Band hat eine ungewöhnliche Erfolgskurve. Sie besteht seit zwanzig Jahren, aber erst in den letzten Jahren gibt es einen richtigen Höhenflug.
SAMMY AMARA: Für uns fühlt sich das richtig an. Das ist eine Karriere mit der nicht vorhandenen Brechstange, wir haben alles natürlich fließen lassen. Und wenn einmal der Schritt aus dem Schatten des Untergrunds gemacht ist, dann geht es manchmal sehr schnell.

Aber waren Sie nicht mal ungeduldig zwischendurch?
INES MAYBAUM: 1996 hatten wir mal Zoff, da haben wir uns untereinander gestritten und ein halbes Jahr pausiert. Der Grund war aber nicht ausbleibender Erfolg, sondern eher „Finger weg von meinem Bier“. Wir waren schon immer mehr an der Freundschaft als an der Band als Erfolgsmodell interessiert.

In München wurden Sie doch als Broilers für eine DDR-Band gehalten.
SAMMY AMARA: Mit Sicherheit. Der Name wurde uns 1994 vorgeschlagen, von einem Typen aus Frankfurt an der Oder. Das klang gut, und wir wollten unbedingt ein Oi drin haben. Wir haben natürlich nicht gewusst, was Broiler bedeutet. Als wir es dann erfahren haben, haben wir nur gedacht: ach du Scheiße.
INES MAYBAUM: Immerhin waren wir so konsequent, dass wir ihn gelassen haben.

Jetzt spielen Sie in den großen Hallen ausverkaufte Tourneen. Ist das der größte Unterschied zu früher?
SAMMY AMARA: Wir haben lange vieles auf die leichte Schulter genommen und auch mal betrunken ein Konzert gespielt. Das fanden wir ganz lustig. Das ist nicht mehr so. Die Leute zahlen Eintritt, die finden das nicht so gut, wenn der Sänger von der Bühne purzelt.

Aber wenn Ihnen vor 20 Jahren jemand von einer Punk-Band erzählt hätte, die auf die Gesundheit achtet...
INES MAYBAUM: Vor 20 Jahren konnten wir auch noch mehr vertragen. Aber wir wollen heute einfach den Fans nicht den Abend versauen.

Was war denn der Schlüssel zum Durchbruch?
INES MAYBAUM: Es hat keine Rolle gespielt, wir hatten dieses Ziel nicht, haben völlig unverkrampft unsere Musik gemacht. Dann kam natürlich auch Glück dazu.

„Ich will hier nicht sein“ ist der einzige explizit politische Song auf „Noir“.
SAMMY AMARA: Texte entstehen auch aus dem, was uns bewegt. „Ich will hier nicht sein" entstand, nachdem die Geschichte in Hellersdorf passiert ist und diese Freaks vor dem Asylantenheim standen und gebrüllt haben. Das hat uns an Mölln, Solingen, Rostock Anfang der 90er erinnert und angeekelt. Da habe ich einen Text aus der Perspektive eines Flüchtlings geschrieben. Wie kann man denn glauben, dass ein Mensch freiwillig sein Land, seine Heimat, seine Freunde verlässt? Stellt euch vor, wir müssten Deutschland verlassen. Wollen wir so im Exil empfangen werden, von einer hasserfüllten Menge?
INES MAYBAUM: Ich finde auch, dass gerade die Musik ein Medium ist, womit man etwas erreichen kann.
SAMMY AMARA: Ich will nur nicht mit dem erhobenen Zeigefinger herumfuchteln. Wir haben eine klare Ansage gegen Nazis in jedem Konzert. Dieses „Musik ist Musik und Politik ist Politik“ funktioniert für mich nicht.

Kann man ein Publikum erziehen?
INES MAYBAUM: Man kann es auf jeden Fall dazu animieren, über manche Dinge nachzudenken. Das finde ich schon wichtig. Wir wollen eine gewisse Sensibilität wecken.

Sie hören es nicht gern, aber „Nach vorne gehen“ erinnert doch sehr an die Toten Hosen.
SAMMY AMARA: Das ist lustig. Das Lied ist das älteste auf dem Album, es hätte auf dem Vorgängeralbum landen können. Es ist definitiv vor „Tage wie diese“ entstanden. Und eigentlich war es der Versuch, vom Gitarrensound her so zu klingen wie Bruce Springsteen meets U2.

Die Broilers spielen am Samstag, 5. April 2014, im Zenith

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