Primadonnen? Oder Huren und Marktweiber?
Callas gegen Tebaldi? Netrebko: Ausverkauft! „Suche Karte“-Schilder vor den Opernhäusern. Alles ein Pappenstiel gegen die Hysterie, die sich in London am Haymarket abspielte. Georg Friedrich Händel, eisenharter Unternehmer und risikofreudig, hatte 1722 den italienischen Starsopran Francesca Cuzzoni verpflichtet. Sie sollte den Engländern einmal zeigen, was Gesangsqualität ist.
Die Schwarzmarktpreise stiegen ums Hundertfache
Der Plan ging auf: Der Preis für Eintrittskarten stieg auf dem Schwarzmarkt auf das Hundertfache. Die Opern-Aktionäre erhielten eine Dividende von sieben Prozent. Aber Diven sind schwierig. Als die Cuzzoni sich bei Proben zu „Ottone“ weigerte, eine Arie zu singen, packte Händel die kleine Untersetzte, oft Mürrische, schleppte sie zum Fenster und drohte, sie fallen zu lassen. Das wäre ein Fehler gewesen. Denn die Cuzzoni animierte das Publikum so zu Begeisterungsstürmen, dass die Polizei drohte, aus Gründen der Sicherheit und Ordnung die Ränge zu sperren.
Die Konkurrentin wird ans gleiche Opernhaus verpflichtet: Krieg!
Eine Wendung zu noch Theatralischerem kam 1726. Händel hatte den Coup geplant: Die Edel-Venezianerin Faustina Bordoni unterschrieb ihren Londoner Vertrag. Händel hatte jetzt „zwei mythische Sirenen“ und komponierte jetzt – um die Damen in Balance zu halten – gerecht: So erhielten in „Alessandro“ beide Sängerinnen die gleiche Zahl von Arien, und im Duett „Placa alma“ bekamen beide sogar die gleiche Gesangszeit, so dass sich der dritte Star, der Kastrat Senesino, verschnupft entschuldigen ließ und zur Kur nach Italien aufbrach. In „Admeto“ war das Publikum bereits derart in Fraktionen geteilt, dass bei jeder Arie jeweils geklatscht und gezischt wurde.
Das Publikum ist in Fraktionen geteilt, die Sängerinnen prügeln sich auf der Bühne
Am 6. Juni 1727 kam es zu einem Zwischenfall in Händels „Astianatte“, den aktuell das „British Journal“ beschrieb: Die Auseinandersetzung wurde nicht nur im Publikum heftig. Die Damen zogen einander an den Haaren und beschimpften sich gegenseitig als Huren und rauften wie Marktweiber. In der folgenden Spielzeit sprangen die Investoren ab, im Konkurrenztheater wurde die englischsprachige „Bettleroper“ zum Erfolg, die im Streit Polly-Lucy den Divenkrieg sogar satirisch aufgriff.
Cuzzoni verarmt, Bordoni heiratet einen berühmten Komponisten
Cuzzoni verließ London, kehrte zurück, hatte keinen Erfolg mehr, verarmte , kam wegen Schulden ins Gefängnis, wurde Knopfmacherin und starb 82-jährig in Bologna. Und die Bordoni? Die heiratete den deutschen Komponisten Hasse, feierte weiter Triumphe – vor allem in Dresden – und starb 1781 in ihrer Heimatstadt Venedig. Was heute Abend Simone Kermes als Francesca Cuzzoni und Vivica Genaux als Faustina Bordoni daraus machen? Einen wilden Barockabend, zusammen mit der Capella Gabetta.
Heute, Mittwoch, 20 Uhr, Herkulessaal, 34 bis 74 Euro, 54818181
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