Placebo-Konzert in der Olympiahalle: Fan-Service klingt anders

Der Sound in der Olympiahalle hat keinen guten Ruf. Als Placebo am Mittwoch die ersten Töne anstimmen, fetzt es erstmal in den Ohren. Der Bass hämmert nicht, er knurrt verschnupft, viel zu laut. Der Sound ist mäßig.
Auch die Stimmung könnte an dem Abend euphorischer sein. Oder doch nicht? Euphorisch war Placebo nämlich noch nie. Und so richtig ist es das Publikum am Mittwoch auch nicht.
Seit Brian Molko und Stefan Olsdal miteinander Musik machen, ist einige Zeit vergangen, die Welt ist eine andere. Mitte der 90er gründet sich die Band. Und trotzdem hat man mit Placebo in der Olympiahalle das Gefühl, die Zeit wäre ein wenig stehengeblieben. Molkos Stimme ist nicht gealtert. Der Schmerz, den sie besingen, war vor 30 Jahren der eines jungen Teenagers, das ist er heute noch. Und genau daran hapert die Sache ein wenig.

Erst zum Schluss kommt etwas Begeisterung auf
Musikalisch haben sich Placebo mit ihrem aktuellen Album wieder Richtung ihrer Wurzeln (zurück-)entwickelt. Langzeit-Placebo-Fans feiern das im März erschienene Album "Never Let Me Go". Doch das Publikum ist gealtert. Der Schmerz eines Teenagers ist im besten Fall dem erwachsenen Weltschmerz gewichen. Und der fühlt sich nun mal anders an.
Die Begeisterung in der Olympiahalle packt das Publikum erst zum Schluss so wirklich – als Placebo dann doch noch ein paar ihrer älteren Songs performen. Davor bleibt der Großteil auf den Klappstühlen sitzen. "Song to say goodbye" macht klar, der Abend ist bald zu Ende, das Placebo-Fan-Gefühl schwappt erst da so richtig durch die Reihen, Hände gehen nach oben, Menschen stehen auf.
Dass Frontsänger Molko während des Konzerts kein einziges Wort sagt, hilft der Euphorie nicht. Die Band ist nicht bekannt für ausschweifende Interaktion mit dem Publikum. Aber als sich Molko zum Schluss halbherzig verbeugt, könnte man meinen, er sucht am Boden eigentlich nur nach seinem Plektrum. Bandkollege Olsdal sagt nach einer Viertelstunde das erste Mal Hallo und schiebt zum Schluss ein "Thank you, see you next time" hinterher. Fan-Service klingt anders.
Placebo bleibt weiterhin im Trend – irgendwie
Placebo ist trotzdem ein Phänomen. Durch die vermeintliche Rückentwicklung ist die Band so aktuell wie wenige gleichaltrige Bands. Genderfluidität war in den 90ern kein Thema, Placebo lebte das damals schon. Der Song "Running up that hill" (das letzte Lied des Konzerts) sprengte durch die Serie "Stranger Things" in der Originalversion kürzlich die Charts. Die 80er/90er sind gerade voll im Trend, Placebo also auch irgendwie.
Dennoch hätte beim musikalisch astreinen Besingen des besagten Schmerzes am Mittwoch ein wenig Interaktion und Freude nicht geschadet.