Placebo in München: Schlicht ein Fest

Muss man immer reden? Nicht mal an einem Fußball-Abend - wenn die Musik stimmt München.
von  Michael Schilling

Muss man immer reden? Nicht mal an einem Fußball-Abend - wenn die Musik stimmt

München - Es mag ja Bands aus England geben, die hätten aus so einem Abend eine Fußball-Party gemacht. Die deutsche Nationalmannschaft kickt in Wembley, und diese Londoner Kombo spielt zeitgleich im Olympiapark (wo, nebenbei bemerkt, Englands Three Lions vor ein paar Jahren mal 5:1 gegen Kahn & Co. gewonnen haben) - wie hätten sich die Lightning Seeds da aufgeführt! Ob Robbie Williams gar im Trikot gesungen hätte?

Placebo ist davon weiter entfernt als England vom zweiten WM-Titel.

Hat Brian Molko, der Sänger der Band, die Existenz des Fußballs überhaupt je zur Kenntnis genommen?

Er lässt das Münchner Publikum im Unklaren. Über vieles. Gewollt. Selbst die 7500 Fans vor ihm in der Halle scheint er allenfalls als Begleiterscheinung wahrzunehmen. Placebo sind nicht zum Show-, sondern zum Musikmachen gekommen. Klar, Licht, Laser, Leinwände, alles dabei, wie es sich gehört.

Aber der Fokus ruht doch auf der Musik. Placebo verkneifen sich Schnickschnack (eine hauchdünn genäselte knappe Begrüßung - auf deutsch - ringt sich Molko erst nach dem vierten Titel ab). Man muss ja nicht immer reden.

Raus muss nur Musik. "For what it's worth" vom Battle-for-the-Sun-Album bringt die Halle früh zum Beben, "Every you Every me" drückt - in erstaunlichem Olympiahallen-Sound - unter die Decke.

"Too many friends", der Hit vom aktuellen Album "Loud Like Love", kurbelt an der Stimmungs-Amplitude. "Special K" erregt, "Running up that hill", das Kate-Bush-Cover, durchdringt.

Es geht höher hinauf und höher. Molko, Stefan Olsdal und Drummer Steve Forrest tragen schwarze Hemden wie zum Zeichen der selbst gewählten Schlichtheit. Nur die Leistung zählt. Wie beim Fußball. Nur ohne Trikots und Gelaber. Trotzdem Party.

Dass die am Ende - mit "Infrared" am Schluss der einzigen Zugabe und nach 100 Brutto-Spielminuten - etwas verhalten ausfällt, scheint Konzept zu sein.

Molko & Co. haben schon mehr be- und angerührt als bei diesem Auftritt in München. Wer will es dauerbelasteten Profis verdenken: Hauptsache, gewonnen. Das nächste Spiel ist das schwerste. Da muss man haushalten mit den Kräften. Auch den emotionalen.

 

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