Philharmoniker: Gergiev will neue Generationen ansprechen
Valery Gergiev hat am Freitag seinen Vertrag mit den Münchner Philharmonikern unterschrieben. Ab 2015 ist er deren Chefdirigent. Er wolle neue Generationen erreichen, sagte er.
München -Sein künftiges Orchester hat er schon als Schüler zum ersten Mal gehört. „Unter Rudolf Kempe gastierten die Münchner Philharmoniker 1975 in St. Petersburg, das damals noch Leningrad hieß“, erzählte Valery Gergiev nach der Vertragsunterzeichnung. Die Aufführung von Bruckners Fünfter habe ihn damals sehr beeindruckt.
Aber der Ossete aus dem Kaukasus schaut lieber nach vorn: Die nächsten Jahre werden für die Klassische Musik entscheidend. „Man muss die neue Generation erreichen, man muss sie ansprechen“, sagte der 59-Jährige. Er wolle mit dem Orchester „eine neue Denkweise, ein neues Verständnis kultivieren“, die Jugendarbeit stärken und sich dabei auch schon an Schüler wenden.
Deutschland kommt nach Gergievs Ansicht eine Schlüsselrolle bei der Bewahrung des Erbes in Europa zu. „Wenn Deutschland aufhört, die Kultur zu fördern, gibt es einen Dominoeffekt.“ Aber noch würden die Institutionen durch die politisch Verantwortlichen unterstützt, statt sie wie in Italien und den USA finanziell auszuhungern. „Deswegen fühle ich mich in Deutschland zu Hause, deswegen bin ich hier.“
Die Kritik an der Entscheidung des Orchesters und der Stadt für Gergiev war vergessen. Kulturreferent Hans-Georg Küppers nannte den Dirigenten einen „Charismatiker, Visionär und Klangmagier“, Oberbürgermeister Christian Ude erinnerte an sein nach dem Tod von Sergiu Celibidache gegebenes Versprechen, nur „Chefdirigenten von größter internationaler Reputation zu berufen“. Küppers’ Rede vom jungen Chef, der mit dem Orchester wachsen könne, sind nur noch Störgeräusche von gestern.
Gergiev tritt 2015 in München die Nachfolge von Lorin Maazel an. Er unterzeichnete im Kleinen Sitzungssaal des Rathauses einen Vertrag, der bis 2020 läuft. Wie sein Vorgänger führt er nur den Titel Chefdirigent. Er wird nicht städtischer Generalmusikdirektor wie Christian Thielemann. Der Dirigent verzichtet bewusst auf das künstlerische Letztentscheidungsrecht, das bei den gescheiterten Verhandlungen über Thielemanns Verlängerung zum Bruch geführt hatte. Am Mariinski Theater von St. Petersburg habe er genügend Macht, erklärte Gergiev zur Begründung.
In der nächsten Saison wird der künftige Chef einen Strawinsky-Zyklus übernehmen. Gergiev kündigte an, die Tradition des Orchesters zu achten. Wichtig sei die Vielfalt. Im Mittelpunkt seines Interesses scheint die deutsche Musik zu stehen. Nicht zufällig fielen Namen von Opernkomponisten wie Wagner und Strauss: Gergiev hält konzertante Opernaufführungen im Gasteig für „notwendig“, um ein neues Publikum anzulocken. Er will sich dabei auf in München Unbekanntes beschränken. Synergien mit dem russischen Spielplan in St. Petersburg sind also nicht ausgeschlossen.
In Russland habe er russische Musik dirigiert, in Italien italienische, in Frankreich französische. Nun sei es an der Zeit, alles zusammenzubringen. Gergiev bemühte sich, mit einigen Anekdoten den ihm vorauseilenden Ruf eines „Figaro hier, Figaro da“ zu entkräften. Mit den zahlreichen Verpflichtungen Gergievs habe die Stadt „kein Problem“, betonte Ude, sondern sehe dies als Chance, die internationale Reputation des Orchesters weiter zu steigern.
Gergiev sprach englisch, aber die eine oder andere Zwischenbemerkung ließ erkennen, dass er deutsch gut versteht. Und wie viele Russen ist er erfüllt von einer Hochachtung für die deutsche Kultur und ihre Traditionen.
Bei einer städtischen Pressekonferenz gehört es dazu, dass Gasteig-Kritiker ihr Sprüchlein mitbekommen. Natürlich sei der Saal etwas zu groß, meinte Gergiev. „Aber zur Qualiftikation eines Dirigenten gehört es auch, die akustischen Verhältnisse zu prüfen und dafür zu sorgen, dass es trotzdem gut klingt.“ Sergiu Celibidache habe es auch geschafft. Er sehe den Raum als Herausforderung. Das freute Christian Ude, den erklärten Gegner aller Neubau-Pläne. Er grinste auf dem ganzen Gesicht.