Pharoah Sanders gestorben: Jazz als Erleuchtung
Der heute gern strapazierte Begriff "Spiritual Jazz" beschreibt das, was Pharoah Sanders zeitlebens machte, ziemlich treffend. Wenn der aus Little Rock, Arkansas, stammende Tenorsaxofonist spielte, schien er einen direkten Draht nach ganz oben zu suchen. Doch war es kein stilles Gebet, das er an den Schöpfer richtete, sondern ein langer Aufschrei, in dem so unendlich viel mitschwang. Der Autor Charles Waring verglich Pharoah Sanders einmal mit einem feuerspeienden Drachen. Am Samstag ist der Musiker 81-jährig im Beisein seiner Familie in L.A. gestorben - nur einen Tag, nachdem sein einstiger Weggefährte John Coltrane den 96. Geburtstag gefeiert hätte.
John Coltrane und Pharoah Sanders schreiben Musikgeschichte
Coltrane war es, der den Mittzwanziger 1965 in seine Band holte. Die beiden Saxofonisten sollten zusammen ein Stück Musikgeschichte schreiben. Ihre Zusammenarbeit währte nur zwei Jahre, war aber für die Ewigkeit bestimmt. Über Pharoah Sanders sagte John Coltrane einst: "Er versucht immer, zur Wahrheit vorzudringen, und er gestattet seinem geistigen Ich die Führungsrolle. Er verkörpert Energie, Integrität und dringt stets zum Wesentlichen vor."
Nach Coltranes Tod im Jahr 1967 legte Pharoah Sanders das musikalische Erbe seines Bandleaders mal mehr, mal weniger gewinnbringend an. Zunächst machte er mit Alben wie "Tauhid" genau da weiter, wo das Miteinander einst endete. Es gab aber auch Phasen, in denen er dem Zeitgeist zu entsprechen versuchte und dabei die Richtung verlor.
Es waren Produzenten wie Bill Laswell oder später der Kornettist Rob Mazurek, die Pharoah Sanders wieder zurück in die Spur brachten und das perfekte Umfeld für den Mann schufen, der zu den überragenden Saxofonisten der Jazz-Geschichte zählt. Seine umwerfende Überblas- und Flatterzungentechnik, das Hineinsingen in den Trichter, Sanders' hymnische Melodien, seine vergleichslos ekstatischen Ausbrüche bekamen in ihren Projekten den würdigen Rahmen.
Einige seiner Soli in Konzerten mit Laswell und Mazurek waren die reinste Offenbarung, versetzen das Publikum in Verzückung und zeigten, worauf sich Sanders' Legende gründet. Im hohen Alter sollte Pharoah Sanders, der seinen Künstlernamen einst vom Intergalaktischen Bandleader Sun Ra erhielt, noch einmal einen veritablen Hit landen.
Album mit Elektronik-Produzenten
Im vergangenen Jahr veröffentlichte er ein Album mit dem britischen Elektronik-Produzenten und DJ Sam Shepherd alias "Floating Points" und dem London Symphony Orchestra. Das Werk polarisierte. Was mancher Kritiker als "göttlich" empfand, kam anderen Musik-Journalisten wie blanker Kitsch vor.
Als sich am Samstag die Meldung von Pharoah Sanders´ Tod verbreitete, wurden die Sozialen Medien mit Ehrbekundungen und Nachrufen prominenter Jazzmusiker geflutet.
Der Saxofonist Charles Lloyd postete auf Instagram ein Foto, das ihn mit dem schon gesundheitlich gezeichneten Pharoah Sanders zeigt und setzte folgende Zeilen darunter: "Ich werde Dich vermissen, Du geschätzter Sucher nach der Wahrheit im Sound. Du wirst für immer ein Licht sein auf dem Pfad, auf dem wir wandeln."
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