Kritik

Pavel Haas Quartett im Prinzregententheater: Nur ein einziger, überflüssiger Ton

Das Pavel Haas Quartett spielt Schubert und Antonin Dvořák im Prinzregententheater.
Michael Bastian Weiß |
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Das Pavel Haas Quartet.
Das Pavel Haas Quartet. © Marco Borggreve

München - Gerade haben die eine Dame und die drei Herren auf der Bühne Platz genommen, der Applaus ist verebbt, das Publikum wartet auf den Beginn der Musik. Da wird in der gespannten Stille ein Ton hörbar, nicht sehr laut, aber eben doch deutlich.

Er scheint auf der rechten Seite des Prinzregententheaters von oben zu kommen, woher genau, kann man nicht sagen. Sagen kann aber, wer absolut hört oder die Noten vor sich hat - letzteres ist beim Rezensenten der Fall - dass es sich um ein "H" handelt. Das Pavel Haas Quartet scheint den Ton nicht zu bemerken oder ist einfach professionell genug, ihn weitgehend ignorieren zu können.

Trotz störendem Ton: Die Beteiligten hatten Glück im Unglück

Nach dem Konzert ist die Irritation noch Thema der in der U-Bahn abgelauschten Gespräche zwischen den Konzertbesuchern: "Dieser komische Ton hat schon sehr gestört!" Dessen Quelle sollte durch die Haustechnik schleunigst beseitigt werden. In Bezug auf das Programm hatten alle Beteiligten noch Glück im Unglück. Beide Werke des Programms stehen in G-Dur. In dieser Tonart ist das H ein wichtiger Bestandteil: der Terzton.

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Wie es der Zufall will, ist das letzte Quartett Nr. 15 von Franz Schubert ausgerechnet genau dafür berühmt, mit dem abrupten Wechsel der Tongeschlechter von Dur zu Moll zu spielen, der eben mit der Erniedrigung des "H" zum "B" geschieht. Das Pavel Haas Quartet gewinnt diesem unerhörten Beginn das Mögliche an Dramatik ab und hält die Spannung auch in der darauf folgenden visionären Tremolopassage.

Der störende Ton passt glücklicherweise zum Streichquartett Nr. 13 von Antonin Dvořák

Hier geschieht nicht weniger als ein Realitätsverlust. Gleichzeitig kündigt dieser packende Eingang eine immense dynamische Bandbreite an. Sie wird von dem in Prag ansässigen Ensemble für eine entsprechende Bildgewalt genutzt: zwischen Pizzicati, die von einer Art Traum-Trommel herzurühren scheinen, und schaudererregenden Ausbrüchen, in denen die vier wie enthemmt alle tonliche und intonatorische Contenance fahren lassen.

Nach der Pause zerschlägt sich schnell die Hoffnung, dass der im Raum schwebende Störton vielleicht mittlerweile zum Verstummen gebracht wurde. Glücklicherweise passt er zum Streichquartett Nr. 13 von Antonin Dvořák fast noch besser als zu Schubert, weil ein ganzer Satz - der dritte - in h-moll steht und sich somit mit dem fremden "H" oftmals trifft. Vielleicht aber spielt das Pavel Haas Quartet diese serenadenhafte Musik auch einfach so ansteckend herzhaft, so hinreißend klangverliebt, dass der Theaterraum selbst gar nicht anders kann als - mitzusingen.

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