Patricia Kopatchinskaja vergeigt Schumann
Patricia Kopatchinskaja, und das London Philharmonic Orchestra unter Alain Altinoglu mit Schumann und Beethoven im Gasteig
Drei Beispiele mögen das Desaster illustrieren: Komponiert hat Robert Schumann eine kleine Figur mit einem expressiven melodischen Sprung: Patricia Kopatchinskaja verbiegt diese selbstherrlich und platzt mit dem Spitzenton plump heraus. In den Noten steht ein Aufschwung der Sologeige, mit dem sie neue Energie schöpft: Die Solistin quietscht sich, technisch schlampig, nach oben. Der Komponist entwirft ein magisches Gesangsthema; Die Geigerin macht ihm mit betont hässlichem Ton, sinnloser Zergliederung und impertinentem Säuseln an der Hörgrenze den Garaus.
Lieber sucht die Kopatchinskaja im immer noch sträflich unterschätzten Schumann-Violinkonzert nach geschmacklosen Effekten. Eine solche egomane Selbstdarstellung, gegen die Musik gerichtet, sollte eigentlich verpönt sein. Der Geigerin hat sie freilich bislang nicht geschadet. Im schlechtesten Fall gilt sie eben als kontrovers.
Kasperltheater mit Geistern
In ihrer Zugabe, dem Capriccio Nr. 2 von Salvatore Sciarrino, führt sie unter Mithilfe von Orchestermitgliedern mit viel Brimborium ein weiteres Spektakel zwischen Geisterbahn und Kasperltheater auf.
Wie der Dirigent Alain Altinoglu all das findet, lässt er sich zumindest äußerlich nicht anmerken. Aber sein Handeln am Pult des London Philharmonic Orchestras könnte gegensätzlicher nicht sein.
Der Franzose versteht, dass Schumanns Musik ein stabiles Tempo braucht, motorischen Schwung, und vor allem: Klang. Gleich, ob man auf den makellos federnden, lebendigen Streicherkörper achtet oder auf die vorwitzigen Bläser, vor allem aber auf das sensible Zusammenspiel – so ein glanzvolles, doch differenziertes Tutti, so eine feine, dabei phantasievolle Orchesterkultur wie bei diesem Gastspiel hörte man in letzter Zeit weder aus Berlin noch aus Wien.
In Ravels Suite „Le Tombeau de Couperin“ hat noch das beiläufigste motivische Sprudeln Bedeutung. Ludwig van Beethovens Symphonie Nr. 3 Es-Dur, die „Eroica“, gerät gar zur seltenen Sternstunde, weil Altinoglu so eng mit dem Orchester zusammenwirkt und mit ihm eine vielgespielte Partitur von innen heraus wirklich erneuern kann: so sorgfältig ausmodelliert wie höchst inspiriert zum Abheben gebracht.
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