Patricia Kopatchinskaja vergeigt Schumann

Patricia Kopatchinskaja, und das London Philharmonic Orchestra unter Alain Altinoglu mit Schumann und Beethoven im Gasteig
Michael Bastian Weiß |
X
Sie haben den Artikel der Merkliste hinzugefügt.
zur Merkliste
Merken
0  Kommentare
lädt ... nicht eingeloggt
Teilen  AZ bei Google News
Diese Sanfte haut mit Schwung in die bildungsbürgerliche Magengrube: Patricia Kopatchinskaja bevorzugt die Extreme
Marco Borggreve Diese Sanfte haut mit Schwung in die bildungsbürgerliche Magengrube: Patricia Kopatchinskaja bevorzugt die Extreme

Patricia Kopatchinskaja, und das London Philharmonic Orchestra unter Alain Altinoglu mit Schumann und Beethoven im Gasteig

Drei Beispiele mögen das Desaster illustrieren: Komponiert hat Robert Schumann eine kleine Figur mit einem expressiven melodischen Sprung: Patricia Kopatchinskaja verbiegt diese selbstherrlich und platzt mit dem Spitzenton plump heraus. In den Noten steht ein Aufschwung der Sologeige, mit dem sie neue Energie schöpft: Die Solistin quietscht sich, technisch schlampig, nach oben. Der Komponist entwirft ein magisches Gesangsthema; Die Geigerin macht ihm mit betont hässlichem Ton, sinnloser Zergliederung und impertinentem Säuseln an der Hörgrenze den Garaus.

Lieber sucht die Kopatchinskaja im immer noch sträflich unterschätzten Schumann-Violinkonzert nach geschmacklosen Effekten. Eine solche egomane Selbstdarstellung, gegen die Musik gerichtet, sollte eigentlich verpönt sein. Der Geigerin hat sie freilich bislang nicht geschadet. Im schlechtesten Fall gilt sie eben als kontrovers.

Kasperltheater mit Geistern

In ihrer Zugabe, dem Capriccio Nr. 2 von Salvatore Sciarrino, führt sie unter Mithilfe von Orchestermitgliedern mit viel Brimborium ein weiteres Spektakel zwischen Geisterbahn und Kasperltheater auf.

Wie der Dirigent Alain Altinoglu all das findet, lässt er sich zumindest äußerlich nicht anmerken. Aber sein Handeln am Pult des London Philharmonic Orchestras könnte gegensätzlicher nicht sein.

Der Franzose versteht, dass Schumanns Musik ein stabiles Tempo braucht, motorischen Schwung, und vor allem: Klang. Gleich, ob man auf den makellos federnden, lebendigen Streicherkörper achtet oder auf die vorwitzigen Bläser, vor allem aber auf das sensible Zusammenspiel – so ein glanzvolles, doch differenziertes Tutti, so eine feine, dabei phantasievolle Orchesterkultur wie bei diesem Gastspiel hörte man in letzter Zeit weder aus Berlin noch aus Wien.

In Ravels Suite „Le Tombeau de Couperin“ hat noch das beiläufigste motivische Sprudeln Bedeutung. Ludwig van Beethovens Symphonie Nr. 3 Es-Dur, die „Eroica“, gerät gar zur seltenen Sternstunde, weil Altinoglu so eng mit dem Orchester zusammenwirkt und mit ihm eine vielgespielte Partitur von innen heraus wirklich erneuern kann: so sorgfältig ausmodelliert wie höchst inspiriert zum Abheben gebracht.

Lädt
Anmelden oder registrieren

Zum Login
Zu meinen Themen hinzufügen

Hinzufügen
Sie haben bereits von 15 Themen gewählt

Bearbeiten
Sie verfolgen dieses Thema bereits

Entfernen
Um "Meine AZ" nutzen zu können, müssen Sie der Datenspeicherung zustimmen.

Zustimmen
 
0 Kommentare
Bitte beachten Sie, dass die Kommentarfunktion unserer Artikel nur 72 Stunden nach Veröffentlichung zur Verfügung steht.
Noch keine Kommentare vorhanden.
merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.