"Pagan" von Faun: Von Harfen und Hirschen
Vor fast zweieinhalb Jahrzehnten gründete der Gräfelfinger Oliver Pade mit ein paar Freunden die Band Faun, die sich bald mit der Verschmelzung von alten Klängen und moderner Musik international einen Namen machte. Nun hat Faun mit "Pagan" ein neues Album herausgebracht und kann endlich die durch Corona verhinderten Konzerte nachholen. Faun gastiert am 8. Juli im Circus Krone.
Umorientierung und neue Instrumente: Zwangspause hat Faun gut getan
AZ: Herr Pade, vier Mal mussten Sie das Konzert im Circus Krone verschieben, jetzt scheint es endlich wieder eine Normalität für Künstler zu geben.
OLIVER PADE: Ich muss aber sagen, dass uns die Zwangspause als Band auch gut getan hat, weil man so endlich aus der Routine herauskam. Ich habe mir ein 200 Jahre altes Haus im Grünen gekauft – im Saarland, hier im Münchner Umland wäre das ja unbezahlbar. Als Band haben wir uns ein bisschen umorientiert und auch neue Instrumente gelernt.
Welches spielen Sie denn jetzt neu?
O.K., das wird jetzt sehr nerdig: Ich habe von einer schwedischen Nyckelharpa auf eine schwedische Moraharpa umgestellt, denn wir wollten wieder etwas archaischer klingen, weg von Stahlsaiten hin zu Darmsaiten, um auch der CD gerecht zu werden, die ein bisschen in die heidnische Mythenwelt der vorchristlichen Zeit abtaucht. Das sollte sich nicht nur in den Texten widerspiegeln, sondern auch klanglich. Wir haben viel Zeit investiert, die Richtung neu zu bestimmen, und sogar ein eigenes Label gegründet, um die Kontrolle zu behalten.
Faun-Frontmann Oliver Pade: "Faun ist ein Lebensgefühl"
Die gab es bei einem großen Label nicht?
Nein, das wurde immer schwieriger. Denn man muss dort immer kommerziellere Musik machen, damit sich überhaupt noch CDs verkaufen. Und irgendwann entfernt man sich dann aufgrund vermeintlicher Radiotauglichkeit komplett von seinen alten Fans. Wir haben fünf Alben bei Elektrola gemacht, dafür bin ich auch sehr dankbar, wir wurden sogar mit Platin ausgezeichnet. Aber der Vertrag ist dann ausgelaufen, und wir gehen jetzt eigene Wege.
Sie haben nun wieder ein paar Konzerte gegeben. Wie war’s?
Man merkt erst, wie sehr man das vermisst hat, wenn man wieder auf der Bühne stehen darf. Es ist ja nicht nur das Konzert: Faun ist ein Lebensgefühl, und dafür macht man das ja.
Wie suchen Sie sich Inspiration?
Ich bin studierter Mediävist, sitze auch gerne in der Bibliothek und lese viele Sachbücher über die Zeit. Unsere neue CD "Pagan" kommt mit einem 100-seitigen Begleitbuch heraus, mit den Liedtexten, aber auch Illustrationen und Hintergrundinformationen. Wenn wir beispielsweise von Gwydion, dem walisischen Zauberer, singen, erklärt das Buch die Hintergründe bis hin zur Pflanzenkunde mit Texten des bekannten Ethnobotanikers Wolf-Dieter Storl. So ein Buch-CD-Projekt wäre früher für uns bei einem großen Label auch nicht möglich gewesen.
Adaya ist die neue Sängerin von Faun
Die langjährige Faun-Sängerin Fiona, die seit 2003 dabei war, ist ausgestiegen. Wie kam es dazu?
Das ist der Lauf der Dinge. Wir sind durch die Konzerte jetzt wieder über 100 Tage im Jahr unterwegs, und das passt nicht in jedes Lebensmodell. Oft hatten wir Ausstiege aus der Band, weil jemand ein Kind bekam. Bei Fiona ist es etwas anderes, sie hat ein Hirschgehöft geerbt und festgestellt, dass man sich nicht gleichzeitig um die Hirsche und die Band kümmern kann. Wir sind im Guten auseinander gegangen. Aber es ist auch eine Fügung, dass nun die Schweizer Musikerin Adaya eingestiegen ist. Sie singt nicht nur, sie kann auch sehr gut Saiteninstrumente spielen, und so konnten wir die schottische Ballade "Tamlin" vertonen und mit gleich zwei Lauten spielen, was wir noch nie gemacht haben. Sie spielt auch ausgezeichnet Harfe. Da ergeben sich ganz neue Möglichkeiten.
Gibt es ein wachsendes ökologisches Bewusstsein in der Mittelalterszene?
Die Leute wollen jedenfalls nicht nur ihr Met-Horn in die Höhe halten, es gibt sehr viel Spiritualität in der Szene. Das ist uns immer sehr zugute gekommen, das haben wir auch mit "Pagan" thematisiert. Ich kenne viele Menschen, die sich vom modernen Leben abwenden. Das hatte allerdings zuletzt auch seine Schattenseiten. Dass Corona die Gesellschaft so gespalten hat, trifft mich, denn ich kenne viele Heilpraktiker und einige, die mir wirklich geholfen haben, deren Ansichten zu Corona ich aber nicht teilen kann. Ich persönlich glaube an moderne Virologie und an die Heilkraft der Natur. Und sehe darin auch keinen Widerspruch.
"Ich bin vollkommen blauäugig ins Künstlerleben hineingestolpert"
Sie waren mit Faun häufig in Russland und wollten dort auch diesen Sommer spielen. Daraus wird wohl nichts.
Dieser Angriffskrieg auf die Ukraine ist schrecklich. Ich war gerade einen Monat in Sri Lanka und habe dort viele Russen kennengelernt, sehr frei denkende Menschen, die Putin völlig verachten. Ich bin ein Träumer und hoffe, dass Putin in ein paar Monaten Geschichte ist und wir wieder in St. Petersburg und Moskau spielen können. Wir haben dort wie in der Türkei und in Brasilien treue Fans.
Haben Sie vor 20 Jahren schon an den internationalen Erfolg geglaubt?
Überhaupt nicht. Ich bin vollkommen blauäugig ins Künstlerleben hineingestolpert. Die ersten drei Jahre sind wir über die Mittelaltermärkte gezogen, haben am Badezuber gespielt oder am Lagerfeuer. Das war eine gute Zeit, weil wir organisch gewachsen sind und schon eine gute Liveband waren, bevor es richtig losging. Damals hat uns das Spectaculum Mundi in Fürstenried West sehr geholfen, das waren die ersten Konzerte und auch unsere ersten Erfahrungen mit Mikros, Verstärkern und Technik. Das klang bestimmt schauderhaft, aber die Leute sind trotzdem immer wiedergekommen.
Sie selbst hören privat auch andere Mittelaltermusik?
Ich höre vor allem unglaublich gerne schwedische Folklore, aber die ist bei den Schweden selber gerade nicht angesagt, das hört da kein Mensch. Ich kenne drei Dutzend schwedische Musiker, die wirklich genial sind, die aber kaum Auftrittsmöglichkeiten finden. Aber wir gehen in Schweden auf Tour in große Hallen. Und dann spielen wir auch schwedische Volksmusik, obwohl das die Schweden selbst besser könnten. Aber die Mischung mit Elektronik macht uns auch ein bisschen einzigartig.
Für das Konzert am 8. Juli im Circus Krone gibt es noch wenige Restkarten