Kritik

Pablo Heras-Casado dirigiert die Neunte

Der Dirigent verzichtet in der Aufführung von Beethovens Symphonie auf falsches Pathos
Robert Braunmüller
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Der Dirigent Pablo Heras-Casado - hier bei einem Konzert mit den Philharmonikern vor einigen Jahren.
Hans Engels Der Dirigent Pablo Heras-Casado - hier bei einem Konzert mit den Philharmonikern vor einigen Jahren.

Die charakteristische Geste des Dirigenten war in diesem Konzert die gegen das Orchester gerichtete Handfläche, seine typische Körperbewegung im Wechsel zum abgewinkelten Knie. Pablo Heras-Casado war die meiste Zeit damit beschäftigt, die Münchner Philharmoniker zu dämpfen. Und das hat einiges für sich: Laut spielen heutige Orchester ohnehin von selbst, und höchste Energie entsteht nicht durch Dauer-Aufregung, sondern eine Zurücknahme des Drucks vor der nächsten Steigerung.

Heras-Casado hat vor einigen Jahren die Neunte mit dem Freiburger Barockorchester aufgenommen. Die Tugenden dieser sehr lichten und transparenten Einspielung im sogenannten Originalklang lassen sich naturgemäß nicht bruchlos auf ein vom romantischen Klang geprägtes Symphonieorchester in Großbesetzung übertragen. Aber es gelang - in einer schöpferischen Anverwandlung.

Intelligente Gespräche

Im ersten Satz mied Heras-Casado bei aller konflikthaften Dramatik das schicksalsschwanger-dräuende Beethoven-Klischee "Von der Nacht zum Licht". Der Dirigent setzte bei flexiblen Tempi auf Transparenz und ein intelligentes Gespräch zwischen Streichern und Bläsern - vor allem gegen Ende des Satzes. Auch wenn es hier ein paarmal an der letzten Präzision fehlte: Dieser eher spielerische Ansatz ist mindestens so spannend wie eine unheilschwangere Düsternis und die Umdeutung der Coda in einen Trauermarsch.

Das Scherzo geriet spritzig, der langsame Satz überraschend nüchtern und unverqualmt. Auch hier bereitete - wie schon im Kopfsatz - Helligkeit das strahlende Finale vor. Dem von Florian Boesch unnötig ruppig gesungenen Bariton-Solo folgte reiner, gesteigerter Enthusiasmus im Götterfunken-Finale.

Das Finale als Freudentanz

Das Schlagzeug hielt sich beim tapfer gesungenen Tenor-Solo (Sebastian Kohlhepp) vornehm zurück, um erst ganz zuletzt beim Orchesternachspiel kontrolliert loszubrechen. Christina Landshamer und Marianne Beate Kielland sangen ihre Soli unangestrengt, auch der wie immer vorzügliche Philharmonische Chor (Einstudierung: Andreas Herrmann) setzte auf Klarheit und Präzision. Nichts wirkte, wie so oft, forciert und aufgesetzt.

Im Finale dominierte eine fast selbstverständliche Leichtigkeit die musikalische Begeisterung. Dieses schlanke Pathos ist - in einem durchaus anderen Klangbild - auch die Stärke der Einspielung Heras-Casados mit dem Freiburger Barockorchester. Dass es gelang, dieses aufklärerische Leuchten mit den Münchner Philharmonikern und ihrem Chor zum Strahlen zu bringen, ist keine geringe Leistung. Und so war diese Neunte weit mehr als eine Pflichtübung zum Jahreswechsel: eine exemplarische Aufführung dieser in Konzerten selten wirklich befriedigenden Symphonie.

Die Aufnahme der Neunten unter Pablo Heras-Casado mit dem Freiburger Barockorchester erschien 2020 bei harmonia mundi. Beim gleichen Label erschien zuletzt eine CD mit Werken von de Falla und Strawinsky

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