Orchestergipfeltreffen zum 50. Geburtstag

Das Gipfeltreffen mit drei Orchestern aus Dresden, Berlin und Wien bei den Osterfestspielen unter Christian Thielemann in Salzburg
Robert Braunmüller |
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Die Berliner Philharmoniker im Großen Festspielhaus.
Matthias Creutziger 8 Die Berliner Philharmoniker im Großen Festspielhaus.
Peter Ruzicka, Eliette von Karajan, Daniil Trifonov und Christian Thielemann.
Matthias Creutziger 8 Peter Ruzicka, Eliette von Karajan, Daniil Trifonov und Christian Thielemann.
Das Konzert der Staatskapelle Dresden mit Cameron Carpenter.
Matthias Creutziger 8 Das Konzert der Staatskapelle Dresden mit Cameron Carpenter.
Die Hofstallgasse vor dem Großen Festspielhaus.
Matthias Creutziger 8 Die Hofstallgasse vor dem Großen Festspielhaus.
Die Hofstallgasse vor dem Großen Festspielhaus.
Matthias Creutziger 8 Die Hofstallgasse vor dem Großen Festspielhaus.
Franz Welser-Möst dirigiert die Staatskapelle Dresden.
Matthias Creutziger 8 Franz Welser-Möst dirigiert die Staatskapelle Dresden.
Franz Welser-Möst dirigiert die Staatskapelle Dresden.
Matthias Creutziger 8 Franz Welser-Möst dirigiert die Staatskapelle Dresden.
Christian Thielemann bei der Pressekonferenz im Trachtensakko.
Matthias Creutziger 8 Christian Thielemann bei der Pressekonferenz im Trachtensakko.

Das Gipfeltreffen mit drei Orchestern aus Dresden, Berlin und Wien bei den Osterfestspielen unter Christian Thielemann in Salzburg

Die Frage nach dem besten Orchester wird oft gestellt, aber sie ist schwer zu beantworten. Im deutschsprachigen Raum bilden die Wiener und Berliner Philharmoniker zusammen mit dem Gewandhausorchester Leipzig, dem Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks und die Staatskapelle Dresden die „Top Five“. Jede weitere Feinabstimmung ist abhängig von der Tagesform, von der Akustik des Saals und dem persönlichen Geschmack.

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Den seltenen Luxus, drei dieser fünf Orchester auftreten zu lassen, leisteten sich die Salzburger Osterfestspiele zum 50. Geburtstag. Die Staatskapelle Dresden ist seit 2013 das Residenzorchester. Für Beethovens Neunte kamen die Wiener Philharmoniker ins Große Festspielhaus. Und zum Abschluss gastierten die Berliner Philharmoniker, die das durch Herbert von Karajan begründete Festival jahrzehntelang beherrschten, ehe sie nach Baden-Baden abgeworben wurden.

Unter Simon Rattle spielten sie Mahler Sechste. Vor allem das Finale mit den beiden Hammerschlägen und dem großen Helden-Abschiedsgetöse fordert die Kraft und die Ausdauer eines Orchesters. In dieser Disziplin sind die nimmermüden Berliner Philharmoniker fraglos die Nummer Eins. Auch wenn das Orchester im langsamen Satz zu großer Innigkeit fähig ist, bleibt ein Beigeschmack von theatralischem Furioso, dem man bewundernd, aber ohne größere innere Regung zuhört.

Mahler mit Franz Welser-Möst

Die Mahler-Überraschung bot ausgerechnet die Staatskapelle Dresden. Ihr Herz gehört traditionell eher Richard Strauss und Richard Wagner. Der langjährige Chefdirigent Herbert Blomstedt meint, sie sei kein Mahler-Orchester.

Doch die jüngere Generation der Musiker ist vielseitig. Sie beherrscht auch den gebrochenen Tonfall dieser Musik. Franz Welser-Möst gelang das Kunststück, die Rondo-Burleske in der Symphonie Nr. 9 wirklich als Steigerung des Scherzos zu interpretieren. Man liest davon öfter in Programmheften. Doch zu hören ist es selten. Unter dem Österreicher bewies die Staatskapelle ihre hochprofessionelle Wandelbarkeit.

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Der Unterschätzte unter den berühmten Dirigenten drängte vorwärts, schärfte die Gegensätze zu und trieb dem Orchester seine Tendenz zur Selbstgefälligkeit aus. Es wirkte bisweilen, als säßen gar nicht die Dresdner, sondern Welser-Mösts Cleveland Orchestra auf dem Podium des Großen Festspielhauses. Auch das Adagio-Finale hörte Welser-Möst neu und anders: nicht als Musik des Abschieds, des Zerfalls und des Verstummens, sondern eher als Erlösung und Befriedung. Und als Aufbruch zur entwickelnden Variation der Schönberg-Schule. Eine ungewöhnliche und zugleich zwingende Sicht.

Ein Dirigent, der bei Mahler offenbar mehr zu sagen hat, als viele glauben. Und ein Orchester, das in den letzten Jahren an Flexibilität gewonnen hat, ohne seine Persönlichkeit zu verlieren.

Alles ist im Fluß

Auch Christian Thielemann entwickelt sich weiter. Seine Sicht auf Bruckner ist im Fluss. Bei der Vierten, der „Romantischen“, schleift er nicht mehr alle Ecken ab. Falsche Weihe meidet er ebenso wie eine überhitzte Dramatisierung. So entsteht eine kunstvolle und zugleich selbstverständlich wirkende Natürlichkeit. Leider verpatzte der Chef der Staatskapelle durch eine offenbar unklare Zeichengebung den Schlussakkord. Das kann passieren. Und der Mut zum Risiko ist im Konzert stets interessanter als das Vertrauen auf Sicherheit.

Mit den Wiener Philharmonikern und dem Wiener Singverein gelang Thielemann eine mitreißende, ekstatische Aufführung von Beethovens Neunter. Selbst wer bei dieser Musik den wuchtigen Mischklang weniger schätzt, hört mit Bewunderung, wie Thielemann hier auf sehr persönliche Weise den Beethoven-Traditionalismus mit neueren Ansätzen versöhnt: Er achtet stets auf Durchhörbarkeit und Transparenz. Am Beginn des Finales, wenn sich in den Streichern langsam das Freudenthema herausschält, war es eine Lust, nicht der Melodiestimme in den Violinen zuzuhören, sondern den Bratschen, die das Thema frei variieren.

Der Kopfsatz hatte tragische Größe. Der gefürchtete langsame Satz war ein Gesang der Instrumente, aus dem sich das Chor-Finale konsequent entwickelte. Das Solistenquartett aus Anja Harteros, Christa Mayer, Peter Seiffert und Georg Zeppenfeld war dank der „Walküre“ vom Samstag bestens aufeinander eingestimmt. Beethovens Neunte als strahlendes Fest – ein seltener Glücksfall.

Eine Orgelsymphonie mit mäßiger Orgel

Schon eine Stunde nach diesem aufregenden Konzert saß wieder die Staatskapelle im Großen Festspielhaus. Der Koreaner Myung-whun Chung mühte sich redlich um Gabriel Faurés „Requiem“. Der Chor des Bayerischen Rundfunks verströmte beseelte Ruhe, aber das milde Licht dieser Trauermusik wollte nicht recht leuchten. Danach die redselige Orgelsymphonie von Camille Saint-Saëns: Cameron Carpenter musste seine International Touring Organ aus logistischen Gründen zu Hause lassen. Er spielte auf dem sehr mäßigen elektronischen Instrument des Großen Festspielhauses. Das taugt als Begleitinstrument für Chorwerke. Wenn man damit auftrumpft, klingt es nach Plastik.

Aber ein mittleres Konzert steigert die Wirkung der Höhepunkte. In ihrer kalten Virtuosität sind die Berliner Philharmoniker großartig. Ihre Wiener Kollegen prunken mit der Farbigkeit aller Gruppen. Die Staatskapelle Dresden glänzt im alten Gold ihres Streicherklangs, aber sie ruht sich nicht auf der Tradition aus. Christian Thielemann ist einer der wenigen Dirigenten, der bei allen drei Orchestern regelmäßig am Pult steht. Ob er in Dresden verlängert, steht noch nicht fest. Der Vertrag mit den Osterfestspielen ist davon abhängig. In Salzburg zeigte sich der Dirigent bei der traditionellen Pressekonferenz in einer feschen Trachtenjacke. Und man spürte: Die Staatskapelle Dresden, Thielemann und Salzburg: Das geht weiter – trotz einiger Dissonanzen im Hintergrund.

Christian Thielemann gastiert mit der Staatskapelle Dresden am 6. September im Gasteig. Karten unter Telefon 811 61 91

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