Oper zuhause? Niemals!

Der Bassbariton Erwin Schrott gibt bei den Salzburger Festspielen einen Tangoabend und spricht über seinen Musikgeschmack
von  Volker Isfort

Seinen geplanten Tangoabend in München im Juni musste Erwin Schrott leider absagen, dafür füllt er am Sonntag das Haus für Mozart während der Salzburger Festspiele (ausverkauft). Dort tritt Schrott mit Tangoband, Rezitatorin Sunnyi Melles und Tänzern die Reise in die Musik seiner Heimat an.

AZ: Herr Schrott, Sie sind gebürtiger Uruguayer, wir möchten Ihnen eine patriotische Frage stellen: Wurde Carlos Gardel in Uruguay geboren, wie viele behaupten, oder doch im französischen Toulouse?

ERWIN SCHROTT: Das ist für mich keine patriotische Frage sondern eine biografische. Carlos Gardel war ein unglaublich faszinierender Musiker, nur darum geht es. Seine Musik gehört allen, die ihn hören, egal ob in China, Deutschland oder Uruguay. Wenn Sie sich für seine außerordentliche Stimme, seine Kunst zu singen, interessieren, dann gehört er Ihnen.

Überraschenderweise haben Sie auf Ihrem Album „Rojotango“ keinen Song dieses größten aller Tangosänger aufgenommen.

Ich glaube, er passte einfach nicht in die Dramaturgie des Albums. Beim Konzert singe ich aber ein Stück von ihm. Für das Album habe ich damals Pablo Ziegler angerufen, der Jahre lang mit Astor Piazzolla gearbeitet hat, und sprach mit ihm über meinen Plan, ein Album mit südamerikanischer Musik zu machen. Dann haben wir uns in seinem Appartement in Brooklyn getroffen, Mate getrunken, Piano gespielt und über die Musik meiner Heimat geredet. Wir haben zehn Tage zusammen verbracht und mindestens 50 Songs zusammen gespielt, dann haben wir erst die richtigen für das Album ausgewählt. Es war eine großartige Erfahrung für mich, mit so einem tollen Musiker zu arbeiten.

Welche Rolle spielte eigentlich der Tango in Ihrer Familie?

Natürlich eine sehr große. Wenn mein Vater morgens aufwachte, hat er sofort das Radio angemacht und Tangos gehört. Wir haben die Musik eigentlich immer gehört, ich habe sie regelrecht eingeatmet und natürlich schon als kleines Kind mitgesungen.

Was ist denn Ihre Definition des Tango?

Ach Gott, nein! Für mich gibt es persönlich nur eine Unterscheidung für Musik: Es gibt gute und schlechte Musik, aber das gilt nicht nur für den Tango, sondern für jedes Genre.

Sie haben einen imposanten Karriereaufstieg hinter sich, haben Sie noch unerfüllte Träume?

Selbstverständlich. Aber das schwierigste für einen Musiker und Sänger ist ja, sich ständig zu verbessern und das Niveau, das man erreicht hat, zu stabilisieren. Wir reden so oft von Stars, wenn wir besser von Meteoriten sprechen sollten, die kurz am Himmel aufflackern und dann wieder verschwinden. Ich bin ein sehr harter und disziplinierter Arbeiter, das war ich immer schon. Dabei hilft mir, dass ich meinen Beruf wahnsinnig liebe. Wenn ich auf der Bühne stehe, und es ist wirklich egal, wo sich diese Bühne befindet, dann ist diese Bühne meine Welt. Es ist eine so wunderschöne Erfahrung, das Publikum mit seiner Stimme zu erobern.

Aber es muss doch eine sehr unterschiedliche Erfahrung sein, ob Sie Tangos singen oder Teil einer Opernproduktion sind?

Das ist es. Wir haben unser „Rojotango“-Projekt mit einem Konzert in dem berühmten „Studio 54“ in New York begonnen. Das war für mich eine komplett neue Erfahrung, weil ich ja auch zum Publikum sprechen musste. Ich habe die Musik erklärt, Anekdoten eingestreut und versucht, das Publikum zum Lachen zu bringen. Ich habe mich zum ersten Mal wie ein richtiger amerikanischer Entertainer gefühlt.

Wir feiern dieses Jahr den 200. Geburtstag von Verdi und Wagner, Sie ziehen wahrscheinlich Verdi vor?

Nein, warum sollte ich? Ich habe zwar sehr viel mehr Erfahrung mit dem Werk von Verdi, aber ich bewundere Wagner ebenso. Und ich arbeite auch sehr hart daran, Wagner zu singen. Ich würde wirklich sehr gerne eines Tages in Salzburg oder Bayreuth in einer Wagner-Oper singen, aber bislang ist noch nichts konkret beschlossen.

Welche Art von Musik hören Sie eigentlich zuhause?

John Coltrane, Frank Sinatra, Gilberto Gil, Nina Simone, AC/DC, Led Zeppelin, Iron Maiden, aber auch Mahler. Ich würde sagen, ich höre zuhause jede Art von guter Musik – aber auf gar keinen Fall Oper.

Erwin Schrott: „Rojotango“ (Sony)

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