Okka von der Damerau im Montagskonzert
Sorgenvoll blickt sie sich auf der Bühne um, horcht in den leeren Raum hinein, spricht eindringlich eine unsichtbare Versammlung an. Kurz: Okka von der Damerau wird zu einer Bühnenfigur. Dazu braucht sie im „Lied der Waldtaube“ aus den „Gurreliedern“ von Arnold Schönberg nicht viel. Nur ein Klavier: Ihre Begleiterin Sophie Raynaud ersetzt mit ihrem üppigen Spiel ein ganzes Orchester. Dazu eine immense Imaginationskraft, die vergessen macht, dass es kein Bühnenbild – und kein Publikum gibt. Zu guter Letzt schüttet der Mezzosopran eine unendliche Fülle des Wohllauts aus, der die Deklamation auch in der halblauten Tiefe so sonor wie hochmusikalisch erscheinen lässt.
In den Montagskonzerten aus der verlassenen Staatsoper zeigt sich, wer als Sänger spürbare theatralische Präsenz herstellen kann, auch, wenn im Live-Stream via Internet die Kameras dazwischengeschaltet sind. Die riesige Stimme der Okka von der Damerau überwindet mediale Gräben mühelos, nicht bloß durch schieres Volumen, sondern vor allem durch beispielhafte Fokussierung. Ihr verschwenderisches Strömen ist wie von einem stabilisierenden Rückgrat durchzogen, ist konturiert, hat Richtung.
Man hört fast den Applaus
In ausgewählten Liedern von Johannes Brahms und Richard Strauss kann man aus nächster Nähe auch verfolgen, wie Frau von der Damerau mit der Sprache umgeht. Im letzten Live-Konzert hatte Christian Gerhaher die Texte der Lieder eher als eigene, widerständige Dimension aufgefasst. Verglichen damit, integriert sie die Mezzosopranistin, obwohl stets perfekt verständlich, stärker in die melodische Linie. In „Von ewiger Liebe“ erlebt man eine einzige, große Bewegung von der untergründigen Erregung des Beginns über eine mitreißende Steigerung bis hin zum entsagenden Schluss: so suggestiv, dass man danach fast Applaus aufbranden hört.
Auch die Mitglieder des Bayerischen Staatsorchesters behaupten sich derzeit in ungewohnten Rollen. Die Violinsonate Nr. 2 von Johannes Brahms spielt David Schultheiß angenehm schnörkellos. Mit interpretatorischen Zutaten hält er sich zurück. Zwar könnte man sich manche Stelle stimmungsvoller vorstellen, inniger, vielleicht draufgängerischer.
Dass in Brahms auch ein Zigeuner steckte, kommt bei Schultheiß weniger heraus. Dafür konzentrieren sich er und sein Begleiter Myron Romanul auf das gemeinsame Fortspinnen der Motive. Es ist schon eine Nachricht wert, dass ein Konzertmeister nicht nur, wie im normalen Opernbetrieb, ein ausgewachsenes Orchester anführen, sondern auch genau ausgehörte Kammermusik machen kann.
Den Mitschnitt des letzten Abends und den Livestream des nächsten Konzerts am 18. Mai um 20.15 Uhr auf www.staatsoper.tv. Außerdem ruft die Bayerische Staatsoper zu Spenden auf, um freie Künstler in der Krise zu unterstützen. Die Bankverbindung findet man auf www.staatsoper.de