OK Kid: "Wir müssen die Menschen wieder zusammenbringen"
OK Kid war eine der ersten deutschsprachigen Pop-Bands, die früh gegen Pegida, die AfD und Co. Stellung bezogen hat. Auch auf ihrem mittlerweile dritten Album "Sensation" zelebrieren Jonas Schubert, Raffael "Raffi" Kühle und Moritz Rech weiter deutschsprachige Pop-Musik mit Haltung. Warum eine klare Kante gegen Rechts weiterhin zum Selbstverständnis der Band gehört und warum das Genre Pop seine Einstellung zu sich selbst ändern sollte, verrät Keyboarder Moritz Rech im Interview mit der Nachrichtenagentur spot on news.
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Sollten mehr Bands politisch sein und ihre Reichweite für politische Statements nutzen?
Moritz Rech: Man kann das niemandem aufzwingen, wenn jemand sich dazu nicht äußern möchte, ist das okay. Wir haben alle nichts von Statements von Künstlern zu Promo-Zwecken oder um ein Schulterklopfen zu bekommen. Für uns war das 2015 mit dem Song "Gute Menschen" selbstverständlich, gegen den aufkommenden Rechtsruck unsere Stimme zu erheben. Ich finde es gut und wichtig, dass immer mehr Bands Haltung zeigen und sich gegen rechtes Gedankengut positionieren. Aber im nächsten Schritt müssen wir es schaffen, Menschen mit unterschiedlichen Meinungen wieder zusammenzubringen.
Ist Popmusik inhaltslos? Hat dieses Genre Ihrer Meinung nach eine neue Definition nötig?
Rech: Der Song "Lügenhits" ist keine Abrechnung mit der aktuellen deutschen Popmusik. Die Behauptung aufzustellen, dass die deutsche Musik nur aus Lügen besteht, bringt für uns eine absurde und auch spaßige Seite mit rein. Deutsche Popmusik braucht keine Neuausrichtung, sondern vielleicht einfach eine andere Einstellung zu ihr. Was in Deutschland schon fast wie ein Schimpfwort daherkommt, ist in vielen anderen Ländern ein Gütesiegel. Wir haben nie ein Problem gehabt zu sagen, wir machen Pop.
Wie wichtig ist es für Sie, dass sich die Hörer mit der Tiefe Ihrer Texte auseinandersetzen?
Rech: Für uns war es schon immer wichtig, dass unsere Musik die Möglichkeit bietet, auch tiefer einzutauchen, sowohl textlich als auch musikalisch. Beim neuen Album sind wir das Songwriting leichter und intuitiver angegangen, und haben auch Songs auf das Album gepackt, in denen es keinen doppelten Boden gibt oder man ihn länger suchen muss. Beim neuen Album kann man noch mehr selbst entscheiden, ob man das Ganze oberflächlich genießt oder eben tiefer eintaucht. Die neuen Songs verpacken für uns schwere Themen leichter, als das bei den letzten Alben der Fall war.
Die rassistisch motivierten Ereignisse 2015/2016 haben Sie dazu veranlasst, nach Freital zu fahren. Macht es Ihnen Sorgen, dass das Thema auch zwei Jahre später aktueller denn je ist?
Rech: Auf jeden Fall macht das Sorgen. Wir hätten nie gedacht, dass "Gute Menschen" nach drei Jahren immer noch so aktuell ist. Wir leben in Köln, in einer Stadt mit vielen unterschiedlichen Kulturen, mit Leuten um uns herum, von denen sich nahezu 100% offen gegenüber "Vielfalt" zeigen. Natürlich könnte man auch davon sprechen, dass wir uns in einer Blase bewegen, deshalb wollten wir einfach mal sehen, wie es dort ist, wo so ein Hass entstehen konnte.
Welche Erfahrungen konnten Sie dort sammeln?
Rech: Uns war klar, dass man da keine schnellen Antworten findet, dort ist es superschön und wir hatten da sehr nette Begegnungen. Wir wollen da auch nicht von außen drauf schauen und über andere urteilen. Wir waren vor allem dort, um neue Songs zu schreiben. Wir machen das immer gerne nach einer längeren Tourphase, dass wir zu dritt wegfahren. Die Zeit dort war ein Nullpunkt nach dem zweiten Album, an dem wir überlegt haben, welche Dinge wir in Zukunft anders machen.
Was war an der Arbeit zu "Sensation" anders als im Vergleich zu bisherigen Alben?
Rech: Wir haben zum ersten Mal Songs wirklich gemeinsam zu dritt geschrieben. Vorher war es meistens so, dass Raffi oder ich ein Instrumental geschickt haben und Jonas darauf geschrieben hat. Die Songs sind dadurch viel intuitiver entstanden, wir haben sehr viele Dinge ausprobiert, was vielleicht so vor fünf bis sechs Jahren noch nicht möglich war. Herausgekommen sind Songs, die leichter und melodischer sind.
Sie haben in Gießen außerdem zum ersten Mal Ihr eigenes Festival "Stadt ohne Meer" organisiert. Wie kam es dazu? Und wie geht es damit weiter?
Rech: Wir haben in unserer Heimatstadt keinen geeigneten Club gefunden, in dem wir spielen können und sind deshalb auf die Idee gekommen, befreundete Bands einzuladen und ein Festival zu veranstalten. Letztlich dabei herausgekommen ist eine sehr intensive Vorbereitungsphase, in der wir jedes Detail des Festivals mit geplant haben. Welche Bands laden wir ein? Welches Essen wird auf dem Gelände verkauft? Wie sehen die Bars aus? Dabei herausgekommen ist ein mega schöner Tag mit zwei Bühnen, zwölf Bands und über 4000 Leuten. Wir sind immer noch total euphorisch und freuen uns schon auf das nächste Jahr.