Nur keine ekstatischen Extravaganzen!
Lorin Maazel eröffnete als neuer Chef mit Mahler die Saison bei den Philharmonikern
Auf dem Podium ein Rednerpult, das verhieß nichts Gutes. Eine Dame erschien mit einem Zettel in der Hand. Besucher der vorderen Reihen erkannten Elke Heidenreich. Sie sprach über die Anforderungen an einen Dirigenten, über die Qualitäten dessen, der uns jetzt gleich Mahlers Neunte näher bringen würde und informierte darüber, dass eine ihrer ersten Schallplatten Händels „Wassermusik“ gewesen sei – dirigiert von Lorin Maazel. Den Namen des Orchesters habe sie vergessen. Bei einem ihrer zahlreichen Umzüge sei die wunderbare Scheibe dann leider verloren gegangen. Wie schade.
Derart unangemessen überrumpelt durfte das Publikum in der Philharmonie dann endlich das hören, wozu es gekommen war. Lorin Maazel hatte Mahlers neunte Symphonie vor zehn Jahren zuletzt in München dirigiert – zum Abschied seiner Tätigkeit bei den BR-Symphonikern. Damals erlebten wir eine Sternstunde. Jetzt, zum offiziellen Antritt als neuer Chefdirigent der Münchner Philharmoniker, gelang dem mittlerweile 82-Jährigen eine nahezu ebenso faszinierende Aufführung: abgeklärt, unaufgeregt, altersweise.
Über Details ließe sich streiten. So hat der Komponist für den zweiten Satz das Tempo eines „gemächlichen Ländlers“ gefordert: „Etwas täppisch und sehr derb“. Die Philharmoniker durften hurtig voraneilen, was sie mit Inbrunst taten. Die schattenhafte Erstarrung, mit der das Finale ausklingt, war dagegen grandios gegenwärtig. Wie das Orchester hier die vielen Facetten der Stille mit Ausdruck füllte, besaß bewegende Eindringlichkeit. Die bisweilen ziemlich verwirrenden Strukturen des nahezu halbstündigen Eingangssatzes blieben stets hörbar. Maazel hütete sich, ekstatische Extravaganzen zu präsentieren. Stattdessen achtete er penibel auf Transparenz, fügte die gegensätzlichen Klangwelten ohne hektischen Überschwang aneinander und machte auf diese Weise plausibel, was in anderen Aufführungen oftmals effektvoll verschleiert wird.
Was die Gesamteinspielung aller Symphonien mit den Wiener Philharmonikern bereits andeutete: Lorin Maazel gehört zu den herausragenden Mahler-Dirigenten. Kein Wunder, dass ihm auch die Münchner Philharmoniker zu Füßen lagen. Sie musizierten spontan und engagiert wie selten. Ovationen waren im Gasteig natürlich Ehrensache.
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