Nur das Freiheit ist das Paradies
„Wut und Zärtlichkeit“: Konstantin Wecker hat ein Live-Album auf zwei CDs veröffentlicht
Die Krisen gehen ineinander über. Haben sich als Grundrauschen in unseren Alltag geschlichen, dass uns ohne sie fast etwas fehlen würde. Goldene Zeiten – für politisierte Liedermacher. Die galten noch vor nicht langer Zeit als altlinke Besserwisser, die die Zeichen der wirtschaftsliberalen Zeit einfach nicht lesen können. Heute hat fast der Letzte verstanden, dass Neoliberal Pipifax ist.
2010 schlug die Live-CD von Konstantin Wecker und Hannes Wader, „Kein Ende in Sicht“, ein. „Wut und Zärtlichkeit“ hieß das Weckersche Studioalbum von 2011. Und unter demselben Titel gibt es jetzt ein Live-Album auf zwei CDs.
Aufgenommen quer durch Deutschland, ist Wecker und der vierköpfigen Band um Jo Barnikel die Lust anzuhören, mit der man mit neuen Liedern die Welt beschreibt. Ein programmatisches „Absurdistan“ zum Einstieg, die Liebeserklärung an Bundeskanzlerin Angela Merkel ist von tucholskyhafter Komik. Trotz alledem ist da die Leichtigkeit der Leichtsinnigkeit in „Weil ich dich liebe“. „Der Virus“ – mit seiner Zeile „zieht den Börsianern die Anzughosen aus“ bringt das Publikum dann auf ein Kindergeburtstagsstimmungshoch.
Natürlich ist Wecker mehr als eine aktuelle Statusanzeige. Als einer, der sich an dichtenden Leuchttürmen orientiert, wird die Verehrung des Lyrikers Brecht ausgelebt – mit einer schwebenden Vertonung von „Vom Schwimmen in Seen und Flüssen“. Notwendige Wiederentdeckung: Erich Kästners aktuelle „Ansprache an Millionäre“.
„Empört euch“ – Wecker ruft es nicht als Selbstgerechter, sondern als einer, der um die schöne Unvollkommenheit des eigenen Lebens weiß. Es gibt keine klare Richtung in eine bessere Zukunft, nur die Aufforderung, ehrlich zu sich selbst zu sein. Weil man die eigene Geschichte immer mit sich trägt, hat Wecker noch ein Lied dabei, das schon der Kraudn Sepp als „Freunderl, kennst Du das Haus“ und der Wecker-Freund Willy Michl als „G’fängnislied“ aufnahmen: „St. Adelheim“. Darin diese großartige, überzeugende und – weil durchs Gitter gesungen – klischeefreie Zeile: „Nur die Freiheit ist das Paradies“. Danach lasst uns alle streben – einen Versuch wär’s wert.
Konstantin Wecker: „Wut und Zärtlichkeit. Live“