Nicht schon wieder der Finanzgarten!
Sie wird wohl bald eine Fußnote sein. Eine Fußnote in der an Arabesken, schrillen Hysterien und unendlichen Wendungen überreichen Geschichte des Versuchs, einen dritten Konzertsaal in München zu bauen.
Im Januar verabredeten Horst Seehofer und Dieter Reiter die „Zwillingslösung“. Staat und Stadt wollten den Gasteig gemeinsam zu einem Konzertsaal auf „Weltniveau“ umbauen. Die auf Kulturprojekte spezialisierte Unternehmensberatung arctori sollte ausloten, ob die gemeinsame Nutzung der Philharmonie und des noch zu ertüchtigenden Herkulessaals durch die Münchner Philharmoniker und das Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks sinnvoll ist.
Drehhofers nächste Wendung
Diese Studie ist fertig. Eine mit Vertretern der Stadt, des Kunstministeriums und der Orchester besetzte Arbeitsgruppe erarbeitete gestern ihren Abschlussbericht. Er soll Seehofer und Reiter Anfang der nächsten Woche präsentiert werden.
Alle Beteiligten haben striktes Stillschweigen vereinbart. Dennoch gilt es als offenes Geheimnis, dass die Studie die „Zwillingslösung“ zerpflückt: Die gemeinsame Nutzung des neuen Gasteig und des Herkulessaals wäre mit Zwicken und Zerren vielleicht möglich. Aber sie brächte beiden Orchestern und den freien Veranstaltern keinen Mehrwert.
Wenn dies zutrifft, wäre man fast wieder bei Null. Laut Reiter wird die Stadt ihre Philharmonie im Zug der Gasteig-Sanierung allein umbauen. Dafür hat eine von den Freunden der Philharmoniker finanzierte Studie inzwischen interessante Vorschläge erbracht.
Außerdem wird dann eine echte Seehofer-Drehung notwendig: Der Ministerpräsident müsste die dem Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks gegebene Zusage einhalten und einen Konzertsaal bauen. Seehofer scheute dies bisher wegen der ungelösten Standortfrage.
Außerhalb der Altstadt
Dann beginnt diese Debatte von vorn: Mariss Jansons, der Chefdirigent der BR-Symphoniker, favorisiert stur den Finanzgarten. Der mag im derzeitigen Zustand kein Juwel sein. Aber ein staatlicher Bau im Landschaftsschutzgebiet wäre ein gefährlicher Präzedenzfall, der ungeahnte Begehrlichkeiten bei der Betonfraktion wecken würde. Auch der Kongresssaal des Deutschen Museums ist wohl nicht völlig aus dem Spiel. Wahrscheinlicher scheint ein Standort außerhalb der Altstadt, etwa am Olympiapark.
Die Debatte, wie dieser Saal innen aussehen müsste und welchen kulturpolitischen Zweck er erfüllen müsste, hat noch gar nicht begonnen. Leider.
Denn da wird es wirklich spannend: Ohne eine echte Vision zur Klassik im 21. Jahrhundert wäre der Neubau ein reines Prestigeprojekt, das niemandem wirklich nützt.