Neues von Sergiu Celibidache

Symphonien von Schubert und Dvoøák unter dem Übervater Sergiu Celibidache auf dem Eigenlabel der Philharmoniker
von  Robert Braunmüller
Der in Rumänien geborene und in Berlin ausgebildete Sergiu Celibidache war von 1979 bis 1996 Chef der Münchner Philharmoniker.
Der in Rumänien geborene und in Berlin ausgebildete Sergiu Celibidache war von 1979 bis 1996 Chef der Münchner Philharmoniker. © dpa

Symphonien von Schubert und Dvoøák unter dem Übervater Sergiu Celibidache auf dem Eigenlabel der Philharmoniker

Wenn man beim Bayerischen Staatsorchester einen Dirigenten besonders loben will, vergleicht man ihn mit Carlos Kleiber. Bei den Münchner Philharmonikern hat Sergiu Celibidache die Rolle des Über-Vaters. Er war zu Lebzeiten wegen seiner akribischen Proben, langsamen Tempi und der Beschimpfung von Kollegen nicht unumstritten. Aber diese Mischung aus Genie und Original machte ihn zum Mythos.

Schallplatten hat Celibidache gehasst, Videos duldete der nicht uneitle Dirigent ebenso wie die Dokumentation seiner Konzerte durch den Bayerischen Rundfunk. Nach seinem Tod anno 1996 konnten daher mehrere CD-Boxen erscheinen. Die Aufnahmen der Bruckner-Symphonien genießen bis heute Kultstatus, manches andere, etwa sein Beethoven, bleibt Geschmacksache.

Die Münchner Philharmoniker haben seit einem Jahr ein Eigenlabel. Zuerst erschienen Aufnahmen unter Valery Gergiev. Nun hat das Orchester der Stadt im Archiv gestöbert und zwei bemerkenswerte Celibidache-Konzerte wiederentdeckt: Schuberts „Unvollendete“ von 1988 und Dvoøáks „Aus der Neuen Welt“ von 1985.

Geänderte Klangvorstellung

Beim Anhören überrascht zuerst einmal der Klang: Die Streicher und das Blech spielen viel schärfer als heute. Christian Thielemanns Ideal des Burgundersounds bestimmt das Orchester nachhaltig – was nicht überrascht, da nur wenige der heutigen Musiker die Ära Celibidache noch aktiv miterlebt haben.

Schuberts „Unvollendete“ beginnt aus dem Nichts. Die damaligen Tontechniker haben gut eingefangen, welch unglaubliche dynamische Spannbreite das Orchester zwischen Pianissimo und einem schier apokalyptischen Fortissimo damals kultivierte. Die Gegensätze bei Schubert werden ausgespielt und zugleich gemildert durch sehr langsame Tempi, die in den Aufführungen aber natürlicher wirkten als nach ihrer Bannung auf eine Silberscheibe.

In der Dvoøák-Symphonie beeindruckt, wie der Dirigent mit langem Atem die Musik gewaltig steigert und jedes folkloristische Sentiment mit eisernem Besen auskehrt. Wenn im Adagio das Hauptthema durchbricht, ächzt der Maestro ekstatisch. Das alles wirkt gewiss manieriert, aber der unglaubliche Ernst und die Akribie im Detail beeindruckt.

Angenehm ist übrigens die sachliche Edition dieser CD, die auf das esoterische Zen-Gebläse verzichtet, das in den EMI-Boxen ziemlich nervt. Wer es nicht erlebt hat, wie detailfanatisch die Philharmoniker damals drauf waren, sollte diese Platte hören. Und für die Zeitzeugen ist sie eine gute Auffrischung der Erinnerung.

Sergiu Celibidache: Schubert, Dvoøák, CD bei MPhil, auch als Download bei den gängigen Portalen

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