Neues Cellokonzert in der Isarphilharmonie: Viele Noten, wenig zu sagen

Einer Anekdote zufolge hatte ein berühmter Geiger keine Lust auf das Violinkonzert von Johannes Brahms, weil er herumstehen musste, während die Oboe die - seiner Ansicht nach - einzige Melodie dieses Werks spielte.
Im Fall von Lera Auerbachs Cellokonzert dürfte sich der Zuhörer nach ein paar Tagen womöglich noch an ein spektakulär groteskes Posaunensolo oder eine slawische Melodie des Orchesters erinnern, während die etüdenhaften Figuren, an denen sich Gautier Capuçon fleißig abarbeitete, längst vergessen sind.
Das Solo-Cello geht völlig unter
Das Auftragswerk der Münchner Philharmoniker leidet unter dem Problem aller Cellokonzerte: der Klangbalance zwischen dem recht leisen Solo-Instrument und dem Orchester. Kammermusikalische Dialoge mit Bläser-Solisten und kleineren Gruppen des Orchesters bleiben auf Dauer unbefriedigend, wenn 70 Musiker zuschauen. Zwischendurch haute die volle Besetzung daher immer wieder auf den Putz - aber das Solo-Cello blieb davon ungerührt: Es spielte viele Noten, durfte damit aber wenig sagen.
Der von Nikolai Gogol inspirierte Titel "Diary of a Madman" mag die gestückelte Form dieses einsätzigen Konzerts rechtfertigen. Richtig Verrücktes passiert - von dem Posaunensolo abgesehen - leider nicht.
Schon vor der großen Solo-Kadenz wendet sich das gepflegt moderne Stück viel zu lange einem Ende zu, das einfach nicht kommen will. Und weil jede Note auch noch von der Harfe, dem Vibrafon und anderen Schlaginstrumenten gefärbt wird, wirkt die Musik ziemlich überladen.
Eine Dirigentin mit Energie und intuitivem Gespür
Die Dirigentin Giedré Šlekyté hatte Auerbachs Konzert genauso energisch und energetisch im Griff wie davor Zoltán Kodálys "Tänze aus Galanta" und danach Maurice Ravels "La valse". Sie bewies ein geradezu intuitives Gespür dafür, kraftvolles, bisweilen auch muskuläre Orchesterkraft in der Isarphilharmonie durchhörbar klingen zu lassen. Das ist berühmteren Kollegen und Kolleginnen bisher schon öfter weniger gut gelungen. Die etwas routiniert abgespulte, nur in der Coda des zweiten Satzes etwas persönlichere "Unvollendete" von Franz Schubert sei daher mit Nachsicht zur Kenntnis genommen.
Giedré Šlekyté dirigiert im März Haydns Oper "L'infedeltà delusa" im Cuvilliéstheater