Neues Album von Ryan Adams: Gefangen im Selbstmitleid
Es ist die alte Frage: Sollte man ein Kunstwerk losgelöst von seinem Autor betrachten? Bei Ryan Adams neuem Album "Wednesdays" stellt sie sich - und beantwortet sich wie von selbst. Denn es wird dem Hörer schwerlich gelingen, diese Songs zu hören und ihren Schöpfer samt dessen problematischer Vorgeschichte auszublenden.
Karriere-Stop durch MeToo: Jetzt versucht Ryan Adams ein Comeback
Ryan Adams war der erste Rockmusiker überhaupt, dem sein Verhalten gegenüber Frauen zum Verhängnis wurde, 2019 setzte die MeToo-Bewegung seiner Karriere ein vorläufiges Ende. Zahlreiche Musikerinnen, darunter die inzwischen erfolgreiche Phoebe Bridgers, hatten sich der "New York Times" anvertraut: Adams habe ihnen in Aussicht gestellt, ihre Karrieren zu fördern - und wenig später sexuelle Avancen gemacht. Wenn sie nicht (mehr) auf diese eingingen, habe er sie sogleich fallen lassen.
Zudem berichteten seine Ex-Frau Mandy Moore und andere ehemalige Liebschaften wenig Gutes über sein Verhalten in Beziehungen. Alle Vorwürfe waren unisono und widerspruchsfrei erklungen, sodass Adams sich nach anfänglichem Leugnen nur noch entschuldigen konnte. Dann zog er drei angekündigte Platten zurück und sich selbst ebenfalls. Nun versucht er auf "Wednesdays" ein Comeback. Online war das Album schon seit Dezember zu hören, nun erscheint sie auf CD und LP. Rückenwind erhält Ryan Adams von klangvollen Namen: Lindsey Buckingham und Lucinda Williams preisen das Werk im Pressetext, Don Was war an der Produktion beteiligt, Emmylou Harris veredelt "Mamma" mit ihrem Engelssopran - wobei nicht klar ist, ob die Stücke vor oder nach dem tiefen Fall aufgenommen wurden.
Album "Wednesdays": Selbstbeschau, Selbstgeißelung und Selbstmitleid
Für den Hörer ist das freilich einerlei. Bei ihm meldet sich Adams mit klagenden Zeilen zurück: "I remember you before you hated me, before you traded me for someone new". Schon nach der ersten kurzen Strophe stellt sich da die Frage: Will man sich auf das Selbstmitleid dieses Verlassenen, Gehassten, Ausgestoßenen einlassen? Die Richtung des Albums ist damit vorgegeben: Es geht um Adams' Innenleben, um Selbstbeschau, Selbstgeißelung und eben Selbstmitleid. Vorgetragen wird all das in Americana-Balladen, in dem Stil also, der Adams mit dem frühen Glanzstück "Heartbreaker" im Jahr 2000 berühmt machte.
Fazit: Weinerliches Balladen-Album von Adams Seelenleben
Rund die Hälfte der Songs sind von dessen Niveau weit entfernt, einige aber sind sehr gut, etwa der Opener "I'm Sorry And I Love You" und "So, Anyways", beide wunderbar dezent untermalt mit Pedal Steel Guitar oder Dobro. Doch wenn Adams, ebenfalls sehr schön, "Who Is Going To Love Me Now, If Not You" singt, kommt der Hörer eben kaum umhin, an die Vorgeschichte zu denken, deretwegen Adams nicht mehr geliebt wird. Es gibt auf "Wednesdays" zahlreiche solcher Momente - und wer will schon einen Unsympathen jammern hören?
Es war also keine gute Idee von Ryan Adams, mit einem zumeist weinerlichen Balladen-Album zurückzukehren, das sich um sein eigenes Seelenleben dreht. Hoffnung macht für seine Zukunft nur, dass Adams ein gewaltiges stilistisches Spektrum hat. Und vielleicht gelingt es geneigten Hörern ja bei künftigen Rockalben, die Lieder und ihren Autor auseinanderzuklamüsern? Hilfreich wäre freilich, wenn Adams dann von etwas anderem singen würde als von sich selbst.
Ryan Adams neues Album "Wednesdays" ist erschienen bei Pax-Am.