Neue Musik auf der Oidn Wiesn

Clemens Schuldt dirigiert am Samstag im Herzkasperlzelt die „Dubairischen Tänze“ von Jörg Widmann
von  Robert Braunmüller
Der Dirigent Clemens Schuldt im Kettenkarussell auf der Oidn Wiesn.
Der Dirigent Clemens Schuldt im Kettenkarussell auf der Oidn Wiesn. © Petra Schramek

Clemens Schuldt dirigiert am Samstag im Herzkasperlzelt die „Dubairischen Tänze“ von Jörg Widmann

Auf der Wiesn ist alles möglich. Wirklich alles? Neue Musik gab es dort unseres Wissens kaum – wenn man vom anarchischen Zusammenklang aus Karussell- und Bierzeltmusiken absieht. Das ändert sich nun: Am Samstag dirigiert Clemens Schuldt das Münchener Kammerorchester im Herzkasperlzelt auf der Oidn Wiesn. Gespielt wird eine Auswahl der „Dubairischen Tänze“ des Münchners Jörg Widmann.

AZ: Herr Schuldt, wollen Sie mit Neuer Musik der Wiesn die Gemütlichkeit austreiben?
CLEMENS SCHULDT: Im Gegenteil. Schon bei der Uraufführung der „Dubairischen Tänze“ hat jemand gesagt, dass diese Musik eigentlich auf die Wiesn gehört. Der Wirt des Herzkasperlzelts hat das aufgegriffen und uns gefragt. Wir haben seit vielen Jahren eine enge Beziehung zu Jörg Widmann und seiner Musik.

Was bedeutet der Titel?
Widmann hat diese Stücke in Dubai komponiert. Bei 40 Grad Hitze mit Ventilatorenluft im Gesicht waren Zwiefache, Ländler und Walzer die einzige Musik, an die er denken konnte. Ich verstehe ihn: Vor ein paar Monaten hatte ich in Hongkong zwischen den Hochhäusern und der ganzen Künstlichkeit eine starke Sehnsucht nach Wiesen und Bergluft.

Wie klingt Widmanns Heimweh vom Persischen Golf?
Die „Dubairischen Tänze“ sind eine witzige Verfremdung bairischer Volksmusik, genial instrumentiert und mit der für Widmann typischen Gedankenblitzgeschwindigkeit aufgeschrieben.

Ich hatte beim Hören in einem Konzert der musica viva den Eindruck leichter Kost.
Die „Dubairischen Tänze“ sind ziemlich schwer zu dirigieren und zu spielen. Taktwechsel in jedem Takt sind bei Neuer Musik an der Tagesordnung. Widmann hat aber auch noch jede Veränderung des Tempos genau notiert. Was in einer Aufführung improvisiert wirkt, ist genau komponiert – mit der perfekten Dramaturgie eines gut erzählten Witzes.

Hinterher trinken Sie sicher eine Maß.
Als Bremer bin ich norddeutsches Bier gewohnt. Wenn man mit Beck’s aufgewachsen ist, schmeckt einem das hiesige Helle schon sehr gut.

Waren Sie schon früher auf der Wiesn?
Als Student. Mir gefiel es. Ich mag traditionelle Blasmusik, aber die Dauer-Lautstärke auf der Wiesn geht mir nach einiger Zeit auf die Nerven. Wenn man sich dann aber treiben lässt, versetzt einen das in eine Festtagsstimmung. Die Wiesn ist ein Gesamtkunstwerk aus Musik, Fröhlichkeit und Gesprächen. Und jetzt, nach einer Vorbesichtigung des Herzkasperlzelts, habe ich auch noch ein Wiesn-Zertifikat gemacht.

Wie kriegt man das?
Ich wurde von Expertinnen im Dirndl über die Wiesn geführt. Dabei habe ich gelernt, dass es auf der Oidn Wiesn historische Fahrgeschäfte gibt. Der Gegensatz zwischen der familiären Stimmung dort und dem Trubel auf der großen Wiesn hat mir gut gefallen.

Nach der Wiesn gehen Sie als Nächstes dann mit Ihren Musikern wandern.
Zum Auftakt unserer „Wandern“-Saison gibt es am 22. Oktober einen Wandertag am Schliersee: mit Freunden, Abonnenten und einem kleinen Konzert in einer Kirche.

Wie wandern Sie dann weiter?
Die Thematik hat viele Spuren in der Musik hinterlassen, nicht nur in der Romantik, wo der einsame Wanderer zum Sinnbild einer ganzen Generation wird. Dabei ist Wandern nicht durchweg positiv: Es hat auch mit Abschied zu tun, mit Ermüdung, Erschöpfung, Sehnsüchten, dem Wunsch, dem Alltag zu entfliehen, oder dem Verlust der Heimat.

Was gibt es zu hören?
Im ersten Konzert der Saison kommt beides zusammen: das Thema Exil in der Musik zu den „Hiketiden“ des Aischylos von Iannis Xenakis und in der großen C-Dur-Symphonie von Franz Schubert. Da höre ich im zweiten Satz einen Wanderer, der in kriegerische Ereignisse verwickelt wird.

Zum Wandern und für die Wiesn braucht man das passende G’wand?
Ich habe mir für das Konzert im Herzkasperlzelt einen Janker und eine Weste gekauft. Es sieht verdammt gut aus. Vor einem Jahr hätte ich mich noch nicht getraut, so etwas zu tragen.

Herzkasperlzelt, Samstag, 30. September, 14 Uhr. Liveübertragung auf BR-Klassik; Infos zur neuen Saison des Münchener Kammerorchesters unter www.m-k-o.eu

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