Nach der Ekstase ins Rosenmeer
Über dem Eingang zur Philharmonie hängt riesenhaft ein Bild seines Nachfolgers. Der ließ jüngst wissen, dass er von schwitzenden Dirigenten nichts hält. Aber es gibt nun einmal Musik, bei der es nicht schadet, wenn Körperflüssigkeiten austreten: das „Tristan”-Vorspiel zum Beispiel.
Christian Thielemann jedenfalls bleibt am Pult nicht trocken. Bei seinem ersten Auftritt nach dem rauschenden Abgang beim Orchester der Stadt heizte er das Vorspiel zu Wagners Liebesdrama beträchtlich auf – aber auf eine einmalige Weise, die nur er beherrscht. In eher getragenem Tempo inszenierte er einen unablässigen Wechsel aus Zurückhaltung und Erregung, der sich langsam zur Ekstase hochschraubte. Im Liebestod wiederholte sich dieser Vorgang auf einer höheren, spirituellen Ebene.
Danach Anton Bruckners Siebte. Bei Thielemann ist sie eine unendlich verlängerte Version des Vorspiels zum dritten Akt der „Meistersinger”: Der dunkel-goldene Klang der Sächsischen Staatskapelle Dresden war ideal für diese Auffassung, wenn man von ein paar wackligen Einsätzen und nicht ideal gerundeten Schlussakkorden absieht.
Thielemann betonte das erhabene Drama dieser Symphonie. Im langsamen Satz verstand er den Beckenschlag nicht als Höhepunkt, sondern als Beginn einer allerletzten Steigerung, die dem Orchester bravourös gelang. Das meistens etwas unterschätzte Scherzo vertrat mit schmetternden Blechbläsern die Stelle der Festwiese.
Im Finale erstaunte die nimmermüde Kraft des Orchesters. Zwar wurde mit Hochdruck über manche Piano-Vorschrift der Partitur hinweggespielt, dafür aber spendeten die Musiker jene letzten fünf Prozent, die bei Thielemanns Konzerten mit den Münchner Philharmonikern oft fehlten. Am Ende Ovationen und ein Meer von Rosen. 2014 kommen die Dresdner mit ihrem neuen Chef wieder. Man darf sich jetzt schon drauf freuen.